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Die zweite Wirklichkeit

Die zweite Wirklichkeit

Titel: Die zweite Wirklichkeit
Autoren: Vampira VA
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uralte Greisin hatte Marsha schließlich den Tod gefunden, war an nichts anderem als Altersschwäche gestorben - zwei Jahre vor der Zeit...
    Vor der Zeit? stolperte Lilith über die eigenen (nein, nicht die eigenen - über die fremden, die falschen) Gedanken. Vor welcher Zeit ...?
    Und - Marsha eine »uralte Greisin«? Das war unmöglich!
    FALSCH!
    Marsha war kaum älter als sie selbst - siebzehn Jahre jung! Der Tod und jeder Gedanke ans Sterben lagen ihr mindestens so weit fern wie der Mond .
    . .. in dessen Silberlicht es sich so wunderbar baden ließ; es regenerierte die Kraft des Körpers, - weckte neue Energien - und Lust auf...
    »Nein!«
    Lilith schrie auf, richtete sich wie von einer stählernen Feder getrieben im Bett auf, preßte sich die Hände gegen die Schläfen, als könnte sie damit unterdrücken, was dahinter ohne ihr eigenes Zutun vorging!
    Und es half.
    Ein bißchen wenigstens.
    Die falschen Bilder verblaßten, verloren ihre Farbe wie alte Fotografien. Andere - die richtigen! - schoben sich darüber, so daß Lilith ihre Erinnerungen für ein paar Augenblicke wie Doppelbelichtungen vorkamen. Dann war es vorbei. Zumindest die Bilder waren verschwunden.
    Die Angst indes blieb. Die Angst davor, daß es - was immer es auch sein mochte - jederzeit von neuem beginnen konnte, und daß sie ihm hilflos ausgeliefert sein könnte.
    »Ich muß hier raus«, flüsterte Lilith heiser. Sie schwang sich vom Bett.
    »Warum?« rief Creanna. Sie breitete die Arme aus, um ihre Tochter aufzuhalten, doch Lilith schlüpfte an ihr vorbei.
    »Wo willst du hin?« rief ihr die Mutter nach.
    »Zu Marsha«, erwiderte Lilith laut, doch sie änderte ihre Pläne noch in derselben Sekunde. Nein, sie würde nicht zu Marsha laufen (denn Marsha war tot, tot, TOT!).
    »Nein, das ist sie nicht«, knirschte Lilith, während sie schon die Treppe hinunterstürmte.
    Aber Marsha war jetzt nicht die Gesellschaft, die sie brauchte. Die Freundin würde ihr nicht die Ablenkung geben können, nach der ihr verlangte.
    Lilith sehnte sich nach jemandem, der ihr den Himmel auf Erden bereiten konnte. Damit sie der Hölle entrinnen konnte .
    »Harold«, stieß sie hervor, als sie über den Plattenweg durch den wuchernden Garten hinab zum schmiedeeisernen Tor rannte, »bitte sei zu Hause. Bitte, bitte .«
    Sie riß das Tor auf, taumelte hindurch - und prallte zurück!
    Der junge Mann, mit dem sie in ihrer Eile zusammengestoßen war, hatte mehr Pech. Er stürzte durch Liliths Wucht und fiel auf den Hosenboden. Trotzdem lag ein jungenhaftes Lächeln auf seinem aparten Gesicht, als er zu ihr hochsah. In einer anderen Situation hätte sie es vielleicht sogar mehr als nur anziehend gefunden.
    »Tut mir leid«, sagte sie schnell. Sie reichte ihm die Hand, um ihm aufzuhelfen. Er griff zwar danach, erhob sich aber dennoch aus eigener Kraft.
    Doch die Berührung genügte, um etwas in Lilith auszulösen. Etwas zu wecken, heraufzubeschwören .
    Ein weiteres Bild. Eines, das ein Dutzend verschiedener Emotionen mit sich brachte, keine davon greifbar, weil sie durcheinanderwirbelten wie von einem Tornado erfaßt. Dennoch blieb jedes einzelne davon zutiefst vertraut (wie dieses Gesicht), und Schmerz war jenes darunter, das Lilith zu erkennen vermochte .
    Der junge Mann klopfte sich den Staub von seiner dunklen Hose.
    »Nein«, sagte er währenddessen, »ich muß mich entschuldigen. Schließlich war ich es, der Ihnen im Wege stand.« Mit einer linkischen Geste wies er zwischen sich, dem Tor und Lilith hin und her.
    »Mein Name ist ...«, setzte er dann an.
    Lilith nickte lahm. »Ich weiß.«
    Das Gesicht des jungen Mannes mutierte zum Fragezeichen. Verwirrt strich er sich Strähnen seines blonden Haares aus der Stirn.
    »Sie wissen, wie ich heiße?« hakte er verwundert nach.
    Wieder nickte Lilith. Ihr Gesichtsausdruck hatte etwas Trancehaftes. »Ja, Duncan ... Duncan Luther.«
    Ein Lächeln erhellte die Züge ihres Gegenübers. »Oh, ich verstehe. Sie besuchen sicher die Kirche drüben am Trumper Park. Ich bin Priesteranwärter unter der Obhut von Pater Lorrimer. Er hat mich im Gottesdienst vorgestellt, läßt mich manchmal schon Teile davon übernehmen. Von dort müssen Sie mich wohl kennen.«
    »Nein«, sagte Lilith leise, »nicht von dort.«
    »Nicht?«
    »Ich muß gehen«, sagte sie hastig und ließ den »Fremden« einfach stehen. Den jungen Mann, der in ihrem Traum heute nacht gestorben war - wie so viele andere.
    Aber er war den vielleicht schmerzhaftesten Tod
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