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Die zweite Instanz

Die zweite Instanz

Titel: Die zweite Instanz
Autoren: Walter Schlegel
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die Hauptverhandlung. Da es sich um ein Amtsgericht handelte besteht kein Anwaltszwang und so gab er dem angeklagten Handwerker keine Gelegenheit, sich einen neuen Verteidiger zu suchen sondern zwang ihn dazu, sich selbst zu vertreten. Immerhin hätten seine Anwälte ja selbst Schuld. Der Handwerker schien gut vorbereitet gewesen zu sein, denn das Urteil fiel mit 200,- € Geldbuße grundsätzlich harmlos aus. Doch die vorausgegangenen Ausschlüsse seiner Anwälte wollte der Handwerker so nicht hinnehmen und focht das Urteil an.
     
    Das Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen 222 Ss 83/02) schließlich hob das Urteil des Amtsrichters tatsächlich auf. Nicht wegen dem Inhalt und der Strafe selbst, sondern vor allem wegen des Ausschlusses der Anwälte wegen fehlender Krawatten. Der Richter hätte die beiden Verteidiger nicht wegen des Fehlens von Krawatten ausschließen dürfen und zudem verletze eine Verhandlung ohne Verteidiger elementare Grundsätze der Rechtsordnung, erst Recht, wenn der Angeklagte deutlich gemacht hat, dass er auch vor dem Amtsgericht eine Verteidigung wünscht.
     
    Tja, man sollte also nicht immer darauf achten, was man(n) unter dem Talar trägt...
     
     
    ***
     
    Was für ein Donnerwetter!
     
     
    Auch wenn die Rechtsordnung und Strafverfolgung in Deutschland so organisiert ist, dass die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft ermittelt, der Staatsanwalt anklagt und der Richter entscheidet, also jede Stelle frei und unabhängig ist, so hinderte das nicht einen Amtsrichter am Amtsgericht Tiergarten (Aktenzeichen 66 Js 3381/97 Ls (88/97)), seinen Unmut über die in seinen Augen unfähigen Strafverfolgungsbehörden freien Lauf zu lassen:
     
    „ (...)Die schwerste Tat ist der räuberische Diebstahl. Dafür wollte der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung ein Jahr sechs Monate haben, völlig übertrieben, sechs Monate sind genug. ... Für jeden der sieben Diebstähle ... Geldstrafen ..., woraus sich für alle neun Straftaten die angemessene Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten ergibt. (...)
     
    Daß der Staatsanwalt - er wollte insgesamt zwei Jahre Freiheitsstrafe - Entlassung des Angeklagten beantragt hat, ist unverständlich geblieben und ist auch falsch, ebenso falsch wie die eigentlich unglaubliche Tatsache, daß der Angeklagte ... bei seinem erneuten Auftauchen bei "Kaiser's" ... als Täter des räuberischen Diebstahls erkannt wurde, ungerührt "vor Ort entlassen" wurde. Donnerwetter, ist das aber eine prachtvolle Strafverfolgung ! (... ) “.
     
    ***
     
    Emanzipation im Recht
     
     
    Wussten Sie schon dass...
     
     
    ... Frauen bis 1962 in Deutschland kein eigenes Bankkonto haben durften und der Ehemann für die Verwaltung des Geldes ganz offiziell allein zuständig war?
     
    ... dass der Ehemann bis 1977 in Deutschland seiner Frau verbieten durfte, einer Arbeit nachzugehen?
     
    ... dass die Anrede „Dame“ nicht das Gegenteil von der Anrede „Herr“ ist und dies durch die Verfassungsrichter 1981 höchstrichterlich geklärt werden musste? Eine städtische Angestellter hatte eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, dass sie im schriftlichen und mündlichen Umgang mit ihrem Arbeitgeber schlicht mit „Frau“ angeredet wurde und begehrte die Verwendung der Anrede „Dame“. Doch dafür hatten die Richter am Bundesverfassungsgericht mit dem Beschluss vom 20.07.1981 nur ein müdes Lächeln übrig, wie dieser Beschluss eindrucksvoll beweist:
     
    „ Der Richterausschuß hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93 a II BVerfGG); eine Verletzung des Art. 3 II, III GG wurde verneint.
     
    1.     Der Umstand, daß Männer mit "Herr" angeredet werden, führt nicht dazu, daß Frauen in Anwendung des Art. 3 II, III GG mit "Dame", angeredet werden müssen.
     
    2. Dem Ausdruck "Herr" habe schon im Althochdeutschen für das weibliche Geschlecht die Anrede "Frau" entsprochen.
    3.    Die Bezeichnung "Dame" kennt der deutsche Sprachgebrauch seit 1622.
     
    Schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sei "Dame" in der Volkssprache als Ausdruck für "Hofmätresse" und "Dirne" abgesunken. Als Ehrentitel habe "Dame" in der bürgerlichen Gesellschaft erst im 18. Jahrhundert Eingang gefunden; als Anrede habe sich diese Bezeichnung allgemein für weibliche Personen nicht durchgesetzt . “
     
    Emanzipation sollte dann in den frühen achtziger Jahren doch nicht so weit gehen...
     
    ***
     
     
    Mit dieser klagenden „Dame“ beenden wir dann auch diesen
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