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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut
Autoren: Dean R. Koontz
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schnupperte daran und wandte angewidert den Kopf ab. Charlotte versuchte es mit einer Tomatenscheibe. Ist das dein Ernst? schien das Tier zu fragen und verschmähte den Leckerbissen.
    Ab und zu konnte Fred launisch und schwierig sein. Das war ihre Schuld, vermutete sie, weil sie ihn verdorben hatte.
    Sie glaubte nicht, daß Geflügel oder Käse gut für ihn sein würden, und sie wollte ihm erst Tortillakrümel anbieten, wenn er sein Gemüse gegessen hatte, daher knabberte sie an den knusprigen Pommes, sah sich in dem Restaurant um, als wäre sie fasziniert von den anderen Gästen, und schenkte dem ungezogenen kleinen Reptil überhaupt keine Beachtung mehr. Es hatte Salat und Tomate nur verweigert, um sie zu ärgern. Wenn es dachte, daß es sie keinen Pfifferling kümmerte, ob es aß oder nicht, dann würde es wahrscheinlich essen. In Schildkrötenjahren war Fred sieben.
    Für ein Heavy-Metal-Pärchen in Lederkluft und mit seltsamen Frisuren interessierte sie sich tatsächlich. Die bei den lenkten sie ein paar Minuten ab; sie kam erst wieder zu sich, als ihre Mutter ein erschrockenes leises Quieken von sich gab.
    »Oh«, sagte ihre Mutter nach dem Quieken, »es ist nur Fred.«
    Die undankbare Schildkröte – schließlich hätte Charlotte sie auch zu Hause lassen können – saß nicht mehr neben dem Teller, wo sie gewesen war. Sie war um das Körbchen voll Pommes herum zur anderen Seite des Tisches gekrabbelt.
    »Ich hab’ ihn nur herausgeholt, um ihn zu füttern«, sagte Charlotte zu ihrer Verteidigung.
    Mom hob das Körbchen, damit Charlotte die Schildkröte sehen konnte, und sagte: »Liebes, es ist nicht gut für ihn, wenn du ihn den ganzen Tag in der Tasche hast.«
    »Nicht den ganzen Tag.« Charlotte nahm Fred an sich und steckte ihn wieder in die Tasche. »Erst seit wir zum Essen aus dem Haus gegangen sind.«
    Mom runzelte die Stirn. »Was für Tiere hast du sonst noch bei dir?«
    »Nur Fred.«
    »Was ist mit Bob?« fragte Mom.
    »Oh, bäh«, sagte Emily und schnitt Charlotte eine Grimasse. »Hast du Bob in der Tasche? Ich hasse Bob.«
    Bob war ein Käfer, ein langsamer schwarzer Käfer, so groß wie das letzte Gelenk von Daddys Daumen, mit schwachen blauen Mustern auf dem Panzer. Sie hielt ihn zu Hause in einem großen Glas, aber manchmal ließ sie ihn auch heraus und sah zu, wie er in seiner trägen Art über eine Tischplatte oder sogar über ihre Hand krabbelte.
    »Ich würde Bob nie mit in ein Restaurant nehmen«, versicherte Charlotte ihnen.
    »Du solltest auch so schlau sein, Fred nicht mitzunehmen«, sagte ihre Mutter.
    »Ja, Ma’am«, sagte Charlotte aufrichtig verlegen.
    »Dumm«, versicherte Emily ihr.
    Zu Emily sagte Mom: »Genauso dumm wie Pommes frites als Legosteine zu benützen.«
    »Ich mache Kunst.« Emily machte immer Kunst. Manchmal war sie selbst für eine Siebenjährige unheimlich. Picassos Reinkarnation, nannte Daddy sie.
    »Kunst, hm?« sagte Mom. »Du machst Kunst aus deiner Nahrung, und was wirst du essen? Ein Gemälde?«
    »Vielleicht«, sagte Em. »Ein Gemälde aus Schokoladenkuchen.«
    Charlotte machte den Reißverschluß der Tasche zu und sperrte Fred ein.
    »Wasch dir die Hände, bevor du weiterißt«, sagte Daddy.
    Charlotte sagte: »Warum?«
    »Was hast du gerade in der Hand gehabt?«
    »Du meinst Fred? Aber Fred ist sauber.«
    »Ich hab’ gesagt, wasch dir die Hände.«
    Der gereizte Tonfall ihres Vaters erinnerte sie daran, daß er heute nicht er selbst war. Er sprach selten so wütend zu ihr oder Em. Sie war nicht artig, weil sie Angst hatte, er würde sie schlagen oder anschreien, sondern weil es wichtig war, ihn oder Mom nicht zu enttäuschen. Es war das beste Gefühl der Welt, wenn sie eine gute Note in der Schule bekam oder anläßlich einer Vorführung gut Klavier spielte, so daß beide stolz auf sie waren. Und nichts war schlimmer als etwas zu vermasseln – und den traurigen Ausdruck der Enttäuschung in ihren Augen zu sehen, auch wenn sie sie nicht bestraften oder etwas sagten.
    Nach den schroffen Worten ihres Vaters ging sie ohne Widerrede zur Damentoilette und mußte bei jedem Schritt mit den Tränen kämpfen.
    Später, auf dem Nachhauseweg vom Islands, als Daddy wieder seinen Bleifuß hatte, sagte Mom: »Marty, dies sind nicht die fünfhundert Meilen von Indianapolis.«
    »Findest du, ich bin zu schnell?« fragte Daddy, als wäre er überrascht. »Ich bin nicht zu schnell.«
    »Nicht einmal der maskierte Rächer könnte mit dem Batmobil so rasen.«
    »Ich bin
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