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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut
Autoren: Dean R. Koontz
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sahen sie jeder Abenddämmerung mit einem irrationalen Unbehagen entgegen, wie es die Leute in früheren, abergläubischeren Zeiten empfunden hatten. Bei unerwarteten Geräuschen zuckten alle zusammen.
    An Weihnachten wagte John erstmals zu hoffen, daß sie sich wirklich ein neues Leben ausdenken und wieder glücklich werden könnten. Da war es auch, daß Suzie Lori nach dem Popcorn fragte.
    »Welches Popcorn?« fragte John.
    »Der böse Zwillingsbruder des Weihnachtsmanns hat zehn Pfund Mais in die Mikrowelle gestopft«, sagte sie, »obwohl soviel gar nicht reinpassen würde. Und selbst wenn es passen würde, was ist passiert, als der Mais aufzuplatzen begann?«
    An diesem Abend wurde zum ersten Mal seit fast drei Wochen wieder vorgelesen. Danach wurde es zur Routine.
    Ende Januar fühlten sie sich sicher genug, Rebecca und Suzie Lori an der öffentlichen Schule anzumelden.
    Im Frühling hatten sie einige neue Freunde und die ersten Familienerinnerungen der Gaults, die nicht frei erfunden waren.
    Da sie siebzigtausend in bar besaßen und ihnen das Haus schuldenfrei gehörte, waren sie nicht darauf angewiesen, Arbeit zu finden. Außerdem besaßen sie vier Kartons mit Erstausgaben von den frühen Romanen von Martin Stillwater. Auf der Titelseite hatte Time die Frage gestellt, die nie beantwortet werden würde – Wo ist Martin Stillwater? –, und Erstausgaben, die einst antiquarisch zweihundert Dollar wert gewesen waren, wurden im Frühjahr zum Fünffachen dieses Preises gehandelt; in den kommenden Jahren würden sie wahrscheinlich schneller steigen als sämtliche Aktien. Wenn sie in entfernteren Städten eine oder zwei verkauften, konnten sie die Familie damit in schlechten Zeiten über Wasser halten.
    John stellte sich den neuen Nachbarn und Bekannten als ehemaliger Versicherungsvertreter aus New York City vor. Er behauptete, eine ansehnliche, wenn auch nicht riesige Erbschaft gemacht zu haben. Daher erfüllte er sich nun den Traum seines Lebens, in einer ländlichen Gegend zu leben und Dichter zu werden. »Wenn ich in ein paar Jahren noch kein Gedicht verkauft habe, schreibe ich vielleicht einen Roman«, sagte er manchmal, »und wenn auch daraus nichts wird – dann fange ich an, mir Sorgen zu machen.«
    Ann begnügte sich mit der Rolle als Hausfrau; aber ohne die Zwänge der Vergangenheit – Klienten mit ihren Problemen, das ständige Pendeln auf dem Freeway – entdeckt sie ein Zeichentalent neu, das seit der High School brachgelegen hatte. Sie machte Illustrationen zu den Gedichten und Stories im Notizbuch ihres Mannes, in das er schon seit Jahren schrieb: Gutenachtgeschichten für Rebecca und Suzie Lori.
    Sie lebten seit fünf Jahren in Wyoming, als Sankt Nikolaus und sein böser Zwillingsbruder von John Gault mit Illustrationen von Ann Gault ein riesiger Weihnachtsbestseller wurde. Umschlagfotos von Autor und Künstlerin gestatteten sie nicht. Angebote für Signierstunden und Interviews lehnten sie höflich ab und zogen statt dessen ein ruhiges Leben und die Möglichkeit vor, weitere Kinderbücher zu machen.
    Die Mädchen blieben gesund, wuchsen heran, und Rebecca verabredete sich mit Jungs, die nach Meinung von Suzie Lori alle in dieser oder jener Hinsicht etwas zu wünschen übrigließen.
    Manchmal dachten John und Ann, daß sie zu sehr in einer Traumwelt lebten, und bemühten sich, auf dem laufenden zu bleiben und nach Zeichen und Hinweisen zu suchen, über die sie nicht einmal miteinander reden wollten. Aber die Welt wurde unablässig von Sorgen und Unruhen heimgesucht. Kaum jemand schien imstande zu sein, sich ein Leben ohne die erdrückende Hand der einen oder anderen Regierung, ohne die eine oder andere Form von Haß vorzustellen, daher verloren die Gaults jedesmal schnell wieder das Interesse an den Nachrichten und kehrten in die Welt zurück, die sie sich für sich selbst ausmalten.
    Eines Tages kam ein Taschenbuch mit der Post. Der schlichte braune Umschlag trug keinen Absender, und dem Buch lag kein Brief bei. Es handelte sich um einen Science-fiction-Roman, der in ferner Zukunft spielte, als die Menschheit die Sterne erobert hatte, aber nicht Herr ihrer eigenen Probleme geworden war. Der Titel lautete Die Klon-Rebellion . John und Ann lasen es. Sie fanden es überaus phantasievoll und bedauerten nur, daß sie nie Gelegenheit haben würden, seinem Verfasser ihre Bewunderung auszudrücken.

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    E   N   D   E

epub-Version erstellt im Januar 2013 von einem Schalke-Fan. Glück
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