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Die Zusammenkunft

Die Zusammenkunft

Titel: Die Zusammenkunft
Autoren: Vampira VA
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gehalten.
    »Sie hat dir nichts von ihren Fluchtplänen verraten?«
    »Fluchtpläne?« Der schlanke junge Mann schüttelte den Kopf. »Sie würde nie ohne mich -«
    »Davon gingen wir auch aus«, fiel ihm die sonderbare, leichenblasse Gestalt ins Wort. »Offenbar haben wir sie unterschätzt. Ein unverzeihlicher Fehler .«
    »Laß mich los - sofort!« Tobias versuchte sich des Griffes zu entledigen, mit dem der andere ihn festhielt.
    »Schon gut .« Die Finger lösten sich.
    Tobias Stifter wollte sich vollends vom Boden erheben und zu ganzer Größe aufrichten.
    Da stieß die Hand des Bleichen auf sein Gesicht zu. Der leicht gekrümmte Zeigefinger hackte wie ein Schnabel in eines der verwirrt dreinblickenden Augen und durchbohrte es.
    Tobias Stifter, dieser Tobias Stifter, starb in der Blüte seines Lebens - und mit einem grauenhaften Schrei auf den Lippen.
    *
    Natan sah hinab auf den dunkelhaarigen Mann, der seinem äußeren Erscheinungsbild nach um die fünfundzwanzig Jahre alt sein mußte und der jetzt mit einem langgezogenen, hohlen Seufzer in sich zusammensank. Stifters Kopf fiel schlaff zur Seite. Ein fahlgraues Rinnsal lief aus dem zerstörten Auge heraus und verlor sich in der Streu des Bodens.
    Ein Lufthauch streifte Natan. Eine zweite Gestalt, die große Ähnlichkeit mit ihm, aber auch unübersehbare Unterschiede zu ihm aufwies, betrat den Kerker. Grundverschiedene leibliche Väter hatten sie gezeugt und ebenso unterschiedliche Mütter hatten sie in diese Welt geboren, doch nach ihrem allzu frühen Tod im Kindesalter hatte sich ihr aller Vater ihrer erbarmt, sich um sie gekümmert und ihnen einen Neubeginn ermöglicht.
    Doch ihre Schuld an ihn hatten sie noch nicht abtragen können.
    Vielleicht würde sie dazu nie mehr in der Lage sein, denn der Satan, der ihren fast verloschenen Lebensfunken wiederentfacht hatte, war seinem ewigen Widersacher zum Opfer gefallen: 1666, vor nun beinahe vierzig Jahren, war er durch den Illuminaten-Führer Salvat und dessen Armee bei einer Pestgrube zu London ausgelöscht worden! 1
    In seinen letzten Zügen hatte sich Satan damals der zwölf Kinder erinnert, die er in einem Haus in Perpignan in sicherer Obhut zurückgelassen hatte. Sein in sie strömender Odem hatte sie aus ihrem langen Heilschlaf erweckt und mit Wissen und Macht ausgestattet -einem Abglanz seiner eigenen Fähigkeiten.
    So hatten die Archonten, wie sich die erwachsen gewordenen Kinder nannten, auch von Elisabeth Stifter erfahren, der Einen unter Millionen. Einer Frau, deren Schicksal einzig auf der Welt war. Denn sie stammte aus ferner Zukunft und beherrschte die Magie der Zeit, die sich Satan zunutze gemacht hatte, um drei Jahrzehnte auf der Flucht vor seinen Verfolgern zu »überspringen«.
    Letztlich war auch dies vergebens gewesen, dennoch hatten die Archonten in ihr den Schlüssel gesehen, Satans Niederlage vielleicht doch noch in einen Sieg umzuwandeln. Geduldig hatten sie darauf gewartet, bis Elisabeth Stifter das italienische Kloster, das Sitz der Il-luminaten war, nach dem Tod ihres Mannes verlassen hatte, um nach Uruk aufzubrechen, wo ... ja, wo der Eingang zu dem Korridor war, aus dem sie 1618 herausgeschleudert worden war: eine durchscheinende, wie gläsern wirkende Frau, die anfangs jedem Menschen in ihrer Nähe des Tod eingebracht hatte.
    Als sich die kalte Hand seines Bruders Loth auf seine Schulter legte, drehte sich Natan nach ihm um.
    »Wir müssen ihr sofort hinterher!« sagte Loth. »Wir kennen das Ziel ihrer Flucht!«
    Natan nickte benommen.
    »Ja«, stimmte er zu. »Aber hättest du je gedacht, daß sie unser Angebot ausschlagen könnte?«
    Sein Blick streifte den Toten. Bereits vor Wochen war Tobias Stifter als altersschwacher Greis im Kloster Monte Cargano gestorben. Dieser Leichnam hier war lediglich die Prämie, welche die Archonten Elisabeth Stifter versprochen hatten, wenn sie sich bereit erklärte, die zwölf Stiefkinder des Teufels durch den freigelegten magischen Korridor von Uruk zu führen. In die Zeit vor dem Kampf ihres »Vaters« mit Salvat in der Heiliggeistkirche zu Heidelberg. 2
    1635 waren Satan und Salvat zum ersten Mal aufeinandergeprallt, und das Einschreiten der Illuminaten hatte verhindert, daß die Inkarnation des gefallenen Engels zu ihrer vollen Stärke hatte heranwachsen können.
    Wir wollten ihn vor Heidelberg und der dortigen Übermacht warnen , dachte Natan. Nun scheint auch diese Chance dahin - es sei denn, wir - »- wir holen sie noch ein, bevor sie in den
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