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Die Zukunftsmacher

Die Zukunftsmacher

Titel: Die Zukunftsmacher
Autoren: Peter Haining
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nah war irgend etwas mit einem Kipplaster und mit Kies. Das Bild stand fast klar vor meinen Augen. Doch wußte ich weder, wohin es gehörte, noch wie lange es schon vorbei war. Ich schaute mich um, und da war die Kiesaufschüttung, die darauf wartete, daß sie verteilt würde. Das also war's, wofür die Planierraupe da war. Aber – war sie gerade erst gekommen oder hatte ich schon lange Zeit so gesessen und gewartet, daß ich mich erinnerte, was ich zu tun hatte?
    Dann fand ich heraus, daß ich zwar Ideen hatte, mich jedoch nicht an Ereignisse erinnern konnte. Es gab da zwar Geschehnisse, aber völlig ungeordnet. Kein Zusammenhang. Vor einem Jahr – vor einer Sekunde war das gleiche. Nichts war real, alles war verwirrt. Immerhin waren Gedanken da. Der Zusammenhang durfte im Moment eben nicht so wichtig sein. Daß ich eine Vorstellung davon hatte, was eine Kiesaufschüttung bedeutete, war eine Idee. Eine Beschaffenheit von Dingen, an die ich mich erinnern konnte. Daß der Laster kam, wieder wegfuhr und Kies aufschüttete, das war ein Ereignis. Ich wußte, daß dies geschehen war, weil der Kieshaufen da war. Doch ich wußte nicht, wann, noch wußte ich, ob in der Zwischenzeit etwas anderes passiert war.
    Ich schaute auf das Armaturenbrett und runzelte die Stirn. Dieser Hebel da, und jenes Pedal – was waren sie für mich? Nichts, gar nichts!
    Ich darf darüber einfach nicht nachdenken. Ich muß herausfinden, was ich tun muß, und nicht, wie ich es tun muß. Ich muß den Kies plattwalzen. Auf der einen Seite von mir ist planierter Kies. Auf der anderen Seite die nackte Erde. Am Rande des planierten Kieses liegt die Kiesaufschüttung. Ich betrachtete sie und ließ Hände und Füße sich an Hebel und Pedale erinnern. Sie drosselten den Motor, hievten die Schaufel vom Boden hoch, schalteten in den dritten Gang und ließen das drei Tonnen schwere, scharfe Schaufelblatt sich in den Kieswall graben. Die Schaufel wurde vollgeladen, und zu beiden Seiten rieselte der Kies in zwei gleichmäßigen Strömen herunter. Die rechte Hand zuckte vor und zurück und betätigte die Hebel. Die Hand wußte, daß man die Schaufel hoch genug hieven mußte, damit der Kies ebenmäßig unterhalb der Schneidkante herausrinnen konnte. Andererseits durfte man sie auch nicht zu hoch heben, weil sonst auf der Bahn Unebenheiten entstehen konnten. Dadurch würden die Fahrzeuge ins Schwanken geraten, wenn sie darauf fuhren. Eine Planierraupe baut die Straße, auf der sie sich vorwärtsbewegt. Wenn der Untergrund sehr holprig ist, schwankt die Maschine, und die Schaufel schneidet in den Boden und bildet Unebenheiten, die, wenn die Fahrzeuge kommen, sie schwanken lassen, so daß Unebenheiten im Boden entstehen, die, wenn Fahrzeuge kommen ... wie auch immer, die Hände und Füße wußten, was zu tun war. Sie funktionierten die ganze Zeit, während ich doch nur sehen konnte, was getan werden mußte, aber nicht verstand, wie es geschah.
    Wahrscheinlich bin ich ganz in Ordnung, weil ich doch meine Arbeit verrichten kann. Es liegt alles klar vor mir, und ich weiß, was getan werden muß. Hände und Füße wissen, wie es gemacht werden muß. Aber angenommen, jemand kommt und spricht mit mir oder ordnet an, daß ich woanders hingehen soll? Ich, der ich mich nicht einmal an meinen eigenen Namen erinnern kann. Meine Hände und Füße haben mehr Verstand als mein Kopf.
     
    Also mußte ich mir zuerst alles aufzählen, was ich positiv wußte. Was wußte ich?
    Die Maschine, der Kies und der Kipplaster waren real. Daß ich existierte, war auch real. Man muß alles im Glauben an die eigene Existenz beginnen.
    Wo war ich?
    Ich mußte an dem Platz sein, wo ich zu sein hatte, wohin ich gehörte. Beweis: der Lastwagenfahrer kannte mich, wußte, daß ich da war und daß die Arbeit noch nicht vollendet war. Also war es wohl nicht nötig, noch weiter darüber nachzugrübeln. Die Menschen in den schimmernden Gewändern ...
    Doch hier war nichts von ihnen. Überhaupt nichts.
    Kies planieren. Das war die Arbeit, die ich tun mußte. Aber war das alles? Ich mußte den Kies planieren, um ... um ...
    Nicht um das Rollfeld fertigzustellen. Das war es nicht. Es war noch etwas anderes, etwas ...
    Das war's! Ich mußte es tun, um irgendwohin zu kommen.
    Ich sollte aber nirgends hin. Es sei denn an einen Ort, wo ich wieder denken kann, wo ich herausfinden kann, was mit mir geschieht, wo mein Geist sich wieder so wichtiger Dinge erinnert, wie meines Namens und des Namens des
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