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Die Zukunftsmacher

Die Zukunftsmacher

Titel: Die Zukunftsmacher
Autoren: Peter Haining
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Jahre hier gewesen bist. Und da ist noch die Todesangst. Schlimm genug, wenn du sie erlebst, unverhältnismäßig schlimmer, wenn du es nicht schaffst, weil du dann vielleicht dahintreibst ... in ein ewiges Nichts, bei Bewußtsein und ohne Möglichkeit der Erlösung.
    Du weißt das alles und willst dennoch, daß wir es weiter versuchen.« Er seufzte. »Wir bewundern dich sehr. Du bist der kühnste Mann, den wir je gesehen haben. Aber wir wundern uns sehr über deine Kultur, daß sie solch einen unglaublichen Wert auf das Ego legt. Sollen wir es noch einmal versuchen?«
     
    Ich schaute die viel zu rote Sonne an und sein breites, ruhiges Gesicht. Wenn ich in dem Moment meinen Namen hätte sprechen können, wäre ich wahrscheinlich geblieben. Wenn ich sie in dem Moment gesehen hätte, würde ich wenigstens noch etwas abgewartet haben.
    »Ja«, sagte ich. »Versuchen wir es wieder.«
    Ich war so voller Furcht, daß ich mich an nichts mehr erinnerte. Ich wußte auch nicht mehr, wie man die Planierraupe bediente. Aber Hände und Füße erinnerten sich.
    Ich saß da und schaute den kleinen Wall aus Kies an. Dann gab ich Gas und betätigte die Hebelvorrichtung für die Kippschaufel. Ich stieß in die Kiesaufschüttung vor. Der Kies wurde von der Schaufel hochgehoben und rann in zwei gleichmäßigen Strömen von den Seiten herunter. Als ich merkte, daß die Schaufel wieder leer war, hielt ich an, schaltete in den Rückwärtsgang, zog die linke Steuerkupplung an, ließ die Hauptkupplung einrasten und trat auf die linke Bremse ...
    Und das war es dann. Die Rolle planieren, die lange schmale Kiesaufschüttung, die von den Enden meiner Schaufel gerieselt war. Als ich darüberfuhr, ließ ich die Kippschaufel 'runter und darüberstreichen, so daß der kleine Kieswall plattgedrückt wurde. In dem Moment schaute ich mich aus Gewohnheit um.
    Denn eine Planierraupe von der Größe kann viel Schaden anrichten, wenn sie rückwärts in irgend etwas hineinrumpelt – und ich sah einen kleinen Haufen von verstreutem Kies, der zu wirbeln schien. Die Umrisse waren verschwommen. Wenn man nach einem langen Blick in die Sonne auf den Boden schaut, wird dort ein verschwommener Fleck zu sehen sein, der wirbelt und flattert. Ich glaubte zuerst, daß etwas Eigenartiges mit meinen Augen passiert war. Doch ich hielt die Maschine nicht an. Und plötzlich war ich mitten drin.
    Die Todesangst wuchs langsam an. Sie wuchs auf eine Weise, daß man wußte, es würde noch mehr kommen, und dieses Wissen erfüllte sich. Und auf dem Gipfel des Schmerzes wußte man, daß es weitere geben würde. Ich konnte die Spannung gar nicht empfinden, weil alles im Gleichgewicht war und nichts brechen würde. Alle innere Kraft war ebenso stark wie alle äußere Kraft, und ich selbst war der Punkt, wo sich alles in der Waagschale hielt.
    Keine Sekunde lang darf man es sich wirklich vorstellen. Denn eine Sekunde davon, die nicht ausbalanciert wäre, würde einen zu Atomstaub zerfallen lassen. Für mich gab es Jahre davon. Jahre und noch mehr Jahre ... Ich war in einem ganzen Stapel von Jahren, irgendwo in einem vierdimensionalen Raum. Und das Gewicht all dieser Zeit war auf mir und in mir, fortlaufend und gleichzeitig.
     
    Ich wachte zögernd auf. Alles tat mir weh. Für mich bedeutete das eine Erlösung, da der Schmerz nur körperlich war.
    Ich fing an, alles zu vergessen – sofort.
    Ein Arzt kam und beäugte mich. Ich sagte »Hallo«.
    »Soso«, sagte er strahlend. »Unser fliegender Planierraupenfahrer ist also wieder unter uns.«
    »Was für ein fliegender Fahrer? Was ist geschehen? Wo bin ich?«
    »Sie sind in der Ambulanz, mein Junge. Sie haben mit einer Planierraupe gearbeitet und hatten anscheinend die gloriose Idee, daß Sie ein Flieger sind. Ich weiß nur, daß im Umkreis der Maschine keinerlei Spuren festzustellen waren.«
    »Worüber sprechen Sie eigentlich?«
    »Wenn ich das nur so genau wüßte, mein Lieber. Aber ich ging hin und schaute es mir selbst an. Da lag die Planierraupe in alle Bestandteile zerbrochen, und daneben lagen Sie. In Ihrer Lunge steckten lauter gebrochene Rippen. Noch nie habe ich es erlebt, daß ein so tot wirkender Mann wieder auf die Beine kam.«
    »Ich verstehe das einfach nicht. Hat irgend jemand gesehen, wie es passierte? Oder versuchen Sie ...«
    »Der einzige, der behauptet, es gesehen zu haben, ist ein portorikanischer Lastwagenfahrer. Er spricht nicht englisch. Aber er schwört auf jeden Heiligen im Kalender, daß er sich
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