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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition)
Autoren: Georg Klein
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Gelände die erste Wahl. Die Werkstatt der Glasmacher liegt weit draußen, bei den bislang besten, erst vor kurzementdeckten Fundstätten. Und das ganze Endstück, bestimmt vier Fünftel des Wegs, führt über einen wunderbar glatt erstarrten Lavastrom aus der Zeit des Gerechten Untergangs.
    Toctoc versteht sich darauf, mit einem Zungenschnalzen den Moment des wechselseitigen Abstoßens anzugeben. Da er ein bisschen kleiner ist als ich, durfte ich, die Hände auf dem stummelkurzen, unbeweglichen Lenker des zweiten Mannes, über Toctocs Schulter hinweg erneut bewundern, wie er die Unregelmäßigkeiten der natürlichen Fahrbahn, den flachen, vom Wind verschliffenen Faltenwurf der erkalteten Lava, voraussah. Jede tiefere Rille, jeder festgegossene Felsbrocken wurde in beizeiten angesetztem Bogen, fast ohne Verlust an Geschwindigkeit, umfahren. Schnell zu sein, den Körper entgegen seiner Trägheit als stetig beschleunigt zu erfahren, ist uns im Gegensatz zu Euch nicht oft vergönnt. Und diesen raren Genuss durch eine Pause abreißen zu lassen, kam uns trotz der Länge des Wegs nicht in den Sinn. Smosmo hat mir erzählt, wie restlos erschöpfend einst ein kurzer Fußmarsch auf der Oberfläche unseres Planeten war. In seiner Jugend stand noch ein allerletztes betriebsbereites Atemgerät aus der Zeit der Siedler zur Verfügung. Aber die damalige Barmherzige Schwester rückte es, bis sein Tank endgültig leer war, nur in besonders dringlichen Fällen heraus.
    An eine alle Kräfte fordernde und zugleich wunderbar beschwingte Tretrollerfahrt wie unsere heutige war in jenen Tagen nicht zu denken. Ein böiger Rückenwind gab uns zusätzlichen Schub. Womöglich ist nie einer unserer Roller so rasant unterwegs gewesen. Der Weg verging wie im Flug und gewann gerade hierdurch eine besondere, rauschhaft selige Dauer. Natürlich schmerzten uns, als die Grabungsstätte der Glasmacher in Sicht kam, Hals und Lungen, und unsere Augen brannten, weil ein solches Sausen auch die beste Staubbrille überfordert. Toctoc taumelte, nachdemder Roller an einen Felsen gelehnt worden war, und auch mir fielen die ersten Schritte auf den ungleich tätig gewesenen Beinen nicht leicht. Dazu mühte ich mich, einen heftigen Brechreiz niederzukämpfen. Durch den Mund schnaufend, hatte ich eine gehörige Portion des aufgewirbelten Sands geschluckt. Aber aus dem Stolleneingang schlug uns herrlich kühle, sogleich stärkende Kavernenluft entgegen, und die verblüfften Mienen der Glasmacher, die noch nicht mit unserem Eintreffen gerechnet hatten, entschädigten uns vollends für die Nachwehen der wilden Fahrt.
    Der Verletzte stand unter Schock. Ich massierte ihm die Fersen und Knöchel, um sein hektisches Hecheln zu beruhigen. Toctoc befragte die anderen nach dem Hergang des Unfalls. Da sie nicht gewagt hatten, ihren Kollegen zum Eingang zu tragen, befanden wir uns an der Stelle des Unglücks und konnten uns das Geschehene trotz der mürrischen Dürftigkeit ihrer Beschreibung ohne Mühe vorstellen. Wie alle Neubastler genießen die Glasmacher das Privileg, ihr Vorankommen gierigen Blicken zu entziehen. Mir war bislang nur bekannt gewesen, dass sie die Scheiben unserer Fenster aus kugeligen Einschlüssen brechen, die sie in den porösen Lavaschichten aufspüren.
    Zum ersten Mal lag uns nun ein solcher Findling vor Augen. Es war, die Glasmacher gestanden es mit trotziger Verlegenheit, ein Prachtstück, mehr als hüfthoch und fast so beulen- und dellenlos rund wie eine Mockmock-Kugel. Vielleicht hatten seine besondere Größe und seine vielversprechende Regelmäßigkeit die erfahrenen Handwerker zu gewagter Hast verleitet. Die Bohrer, Hämmer und Keile, mit denen sie zu Werke gegangen waren, lagen noch auf dem Boden des Stollens, rund um ein erstes abgesprengtes Stück. Uns schien die Kugel perfekt angeschnitten. Toctoc bückte sich und nahm den abgetrennten Teil in beide Hände. Er hob ihn auf, hielt ihn wie eine bis zum Rand gefüllte Schale,drehte sich damit zu mir, neigte die Rundung, als wollte er das Segment ausgießen, und gemeinsam staunten wir einen langen lidschlaglosen Blick über die Glätte und die Helligkeit der Kreisfläche. Mehr ließen die Glasmacher nicht zu. Einer nahm meinem Kollegen das kostbare Stück aus den Händen. Ein anderer verstellte die Bruchstelle der Kugel mit einem breiten Altblech. Dies war ihr gutes Recht. Wir machten uns an die eigene Arbeit.
    Die Kunst der Nothelfer ist gering. Ich werde nie vergessen, wie enttäuscht meine
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