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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition)
Autoren: Georg Klein
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kinderfaustgroßen Exemplaren, das kurze Stück zum Hauptgang gefahren war, dort unter Verlust einer Kugel in engem Kreis gewendet und mit allerletzter Kraft den Rückweg bewerkstelligt hatte. Unser Stärkster, ein Junge, der gewiss schon ein muskulöser Säugling gewesen war, legte sich mehr als das Doppelte in die Karre. Scheinbar mühelos gingen bei ihm Kraft und Geschick Hand in Hand. Flott und sorglos bewältigte er den kleinen Parcours und ließ sich von uns als würdiger Nachfahr der Pioniere feiern.
    Wen wundert es, dass ein erstklassiger Allesmacher aus ihm geworden ist. Im letzten Frühling kam er zu mir in meine Kammer, weil sich auf deren Heizmauer aus gelbem Warmstein ein schmieriger Niederschlag gebildet hatte. Im Nu hatte er die komplette Wand abgebaut, und während wir gemeinsam die Vorder- und Rückseiten der demontierten Platten reinigten und mit speichelbenetzten Lippen den Grad ihrer energetischen Erschöpfung prüften, versuchte ich ein paar Erinnerungen mit ihm aufzufrischen. Aber abgesehen von einem einzigen Vorfall, einer Rauferei mit einem anderen Starken, die er sich halbwegs deutlich zurückrufen konnte, war sein Entsinnen an die gemeinsam durchquerte Zeit, an unsere Kindheit und Jugend, so schwergängig, wie es vor allem bei den Allesmachern, aber nicht nur bei diesendie Regel ist. Auf das meiste, was ich anführte, reagierte er wortkarg, ja unwillig, oft nur mit einem kurzen Kopfschütteln oder gar unhöflich grunzend. Von unserer Exkursion in die Unterwelt der Siedler, von seinem dortigen Triumph, von der Pracht seiner frühreifen Kraft schien ihm nichts, nicht der Schatten eines Bildes, nicht der Hauch einer Empfindung geblieben.
    Als die Warmsteinkacheln wieder an Ort und Stelle hingen, machte er sich daran, einige zusätzliche Entlüftungslöcher in die Boden- und in die Deckenleiste zu bohren. Hierzu zog er seinen Kittel aus, und ich durfte beobachten, welche Muskeln die Arbeit mit dem großen Handbohrer an seinen Armen und auf seinem Rücken spielen ließ. Zur Kühlung gab ich ab und zu einen Spritzer Wasser auf das Gewinde des Geräts. Schnitzen und Bohren, Sägen und Schrauben, Verkeilen und das wirklich heikle Kleben mit erhitztem Mockmockgummi habe ich, wie alle, im Kugelturm gelernt. Ich war nicht der Ungeschickteste, bis sich in den fraglichen, in den verwirrten Jahren dann doch herausstellte, dass ich zu wenig Selbstvergessenheit besaß, um zum Allesmacher oder gar zum Neubastler zu taugen. Meine Mutter hatte, wie Mütter es bei uns und womöglich auch bei Euch zwangsläufig tun, noch mehr erhofft und bis zuletzt geglaubt, ich könnte einen guten Mockmock-Beobachter abgeben. Aber dann erkrankte die Barmherzige Schwester schwer, und Smosmo, der Älteste der Nothelfer und damals der einzige Mann im Sonnenhaus, zog zur Überraschung der ganzen Kolonie das Los ihrer Nachfolge. Noch am selben Tag bestellte er mich trotz meiner Jugend auf die frei gewordene Nothelferstelle und begann nur wenig später mit meiner heimlichen Unterrichtung. Er ahnte offenbar, wie viel Zeit ihm hierfür noch bleiben sollte.
    Mein Schreibwerkzeug kratzt. Im Eifer des Beginns habe ich es arg heftig beansprucht. Aber eben kam mir eine Idee,wie ich seine Spitze aus Mockmockborsten noch verbessern kann. Die selbstgebraute Tinte hingegen scheint sich ohne Einschränkung zu bewähren. Sie fließt vortrefflich, trocknet schnell, und wenn ich mit der Fingerspitze über das Geschriebene streife, verwischt es kein bisschen. Meine Hand wirft einen schärferen Schatten. Unsere kleine Sonne steht hoch genug. Ich kann die Kerzen löschen. Bald werden die anderen zur Morgenrunde eintreffen. Und da auch diese Dienstnacht ohne Notfall war, habe ich den Ohren meiner lieben Kollegen und den besonders hübschen Öhrchen der verehrten Barmherzigen Schwester, anders als Eurem Auge, das ich mir erdhimmelblau und glänzend vor Neugier wünsche, rein gar nichts mitzuteilen.

Zweite Schreibnacht
    E s regnet, und wer von uns wäre nicht entzückt darüber. Noch immer ist Niederschlag rar, noch immer folgen wir Erwachsenen, sogar die beiden halblahmen Alten, die weiter in der Gemeinschaftsküche mitwerkeln dürfen, den hinausstürmenden Kindern ins Freie, um das Gesicht gegen die roten Regenwolken zu wenden. Zunächst, bis in den späten Nachmittag hinein, schenkten uns ihre rosa und lila gemaserten Bäuche das ersehnte Nass nur zögerlich in vereinzelten dunklen, mit rostfarbenem Staub gesättigten Tropfen. Erst in der Dämmerung
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