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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Autoren: Oliver Henkel
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vermischte sich mit dem Geruch blanker Angst, der aus Tausenden von Körpern trat.
    Irgendwie schaffte er es, sich bis zur Porta Salis durchzukämpfen. Von dort aus lief er dem Vesuvius entgegen, ohne sich noch einmal nach der todgeweihten Stadt umzudrehen.
    Er hetzte durch den dichten Aschehagel. Feiner Staub drang ihm in Mund und Nase, raubte ihm fast den Atem. Er hustete und spuckte dicke schwarze Klumpen aus. Seine Augen brannten. Die Landschaft, die er durchquerte, hatte nichts mehr gemein mit dem sanften Sommeridyll des Vormittags. Sie war nun ein apokalyptischer Albtraum, begraben unter einem düsteren Leichentuch, abgestorben und tot. Und über allem thronte triumphierend der Urheber aller Schrecken, der massige Kegel des röhrenden Vulkans, an dessen Hängen sich Flüsse glühender Lava hinabwälzten, während der geborstene Schlund eine riesige Feuerwolke in den finsteren Himmel schoss und mit brutalem Stöhnen immer neue Massen von Asche ausstieß.
    Andreas brach zusammen, als das Brennen im Inneren seines Körpers aufwallte und sich seine Eingeweide zusammenkrampften. Doch er stand wieder auf und zwang sich weiterzulaufen.
    Mit letzter Kraft schleppte er sich zwischen den dick schwarz verkrusteten Weinstöcken hindurch hangaufwärts zur Höhle. Als Andreas die Höhle betrat, konnte er fühlen, wie der Felsboden unter seinen Füßen bebte.
    Er blieb stehen. Ein leicht pulsierendes, kühles Leuchten kam aus dem Höhleninneren. Für den Bruchteil eines Herzschlags verharrte er unschlüssig. Dann aber ging er weiter, auf die Biegung zu, hinter der sich die Zeitmaschinen verbargen.
    Was er dort sah, ließ ihn erstarren. Beide Kegel waren in flimmerndes blaues Licht gehüllt, doch Larues Zeitmaschine leuchtete nicht nur stärker – sie veränderte sich. Es war, als würde sie sich verflüchtigen, verschwinden. Sie war noch dort, doch sie schien einfach zu verblassen.
    Andreas stockte der Atem, als er sah, dass mit Karls Leiche dasselbe geschah.
    Der Körper des toten Frankenkönigs war umschlossen von einer Aura blauen Lichts und zersetzte sich zu einem geisterhaften Nebel.
    Der Ostgote riss sich von diesem furchterregenden und doch auf schreckliche Weise faszinierenden Bild los, doch als er sich umwandte, erschrak er abermals. Die Zeitmaschine, mit der er und Franklin hierher gekommen waren, begann nun auch, sich aufzulösen. Andreas sah seine letzte Chance, vielleicht doch noch in seine Welt zurückkehren zu können, vor seinen Augen verschwinden. Ohne auch nur eine Sekunde länger nachzudenken, schob er die kleine Karte in den Schlitz neben dem Eingang, und kaum hatte sich die Tür geöffnet, sprang er schon ins Innere des Kegels.
    Auch hier glühte schon alles in bleichem Blau, und Andreas sah sich ratlos um. Was sollte er jetzt tun? Welche dieser vielen Tasten mit unbekannter Funktion musste er berühren, um nach Hause zu gelangen?
    Da blieb sein Blick an dem auffällig großen, roten Knopf hängen.
    Was hatte Franklin gesagt?, raste es durch Andreas’ Hirn. Ein Rettungsschalter für den Notfall? Für die Rückkehr zum vorherigen Punkt der Reise!
    Er war unsicher, ob er es wagen sollte. Doch dann packte ein neuer Krampf seinen Magen, schlimmer als alle vorherigen. Die unvermittelt mit aller Gewalt in seinen Körper fahrenden Schmerzen ließen ihn laut aufschreien; ihm war, als würden seine Gedärme zerfleischt werden. Das brachte die Entscheidung. Er wollte fort von diesem verfluchten Ort, weit fort, nach Hause. Unter Qualen streckte er die Hand aus und drückte mit dem Zeigefinger den roten Knopf tief ein.
    Die Tür glitt zu. Ein Zittern erfasste die Zeitmaschine. Andreas war, als würde er von einer übermenschlichen Kraft ergriffen und in einen wild rotierenden, alles verschlingenden Strudel gezerrt.
    Dann ertrank er in einem bodenlosen Blau.
        
     

Epilog
     
    Aachener Zentralklinikum
1998
     
    »Nun, was meinen Sie?«
    Dr. Susanne Kaselow blätterte noch einmal die Krankenakte durch. »Sehr ungewöhnlich und sehr interessant«, antwortete sie. »Ich habe schon einige Fälle zu Gesicht bekommen, die nicht alltäglich waren. Aber der hier ist wirklich faszinierend.«
    Der Nebenraum der psychiatrischen Abteilung, in dem Dr. Christian Reinfeld und seine Kollegin saßen, war nicht besonders groß, und durch die kastenartigen Edelstahlschränke an den Wänden wirkte er noch kleiner. Es gab kein Fenster, durch das Tageslicht hätte eindringen können; Lichtleisten mit unhörbar leise summenden
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