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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Autoren: Oliver Henkel
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dringenden Straßengeräusche waren augenblicklich verstummt, und vor dem Hintergrund eines fernen, aber bedrohlichen Rumpelns breitete sich unschlüssige Stille aus.
    »Es geht los«, sagte Franklin. »Sie kann jeden Moment aufkreuzen.«
      
    Claudius Eupor fuhr zusammen. Dieser Lärm, dieser ohrenbetäubende Knall, der sogar den Mosaikboden unter seinen Füßen hatte vibrieren lassen, verhieß nichts Gutes. Es mochte vielleicht kein Erdbeben sein, doch Claudius wusste sofort, dass dies ein Zeichen war, schleunigst die Stadt zu verlassen. Er fühlte ein Verhängnis heraufziehen, wenn er auch nicht wusste, welches. Während ein dunkles Grollen aus der Ferne wie das bösartige Knurren eines gewaltigen, zähnefletschenden Hundes ertönte, raffte Claudius in seiner Bibliothek schnell die Papyrusrollen zusammen, die auf dem Tisch bereitlagen. Dann lief er, die Arme voller Schriften, hinaus auf die Straße.
      
    Auf einmal war die Erinnerung da, so kristallklar und deutlich, dass Andreas sich fragte, wieso er nicht schon früher über diese Ungereimtheit gestolpert war. Ungewissheit keimte in ihm auf, nebelhaft und konturlos, doch beunruhigend genug, dass er sofort eine Antwort auf die drängende Frage brauchte.
    »Warum wolltest du, dass ich hierher mitkomme?«, fragte er.
    Ohne das Auge von der Straße zu lassen, antwortete Franklin beiläufig: »Hab ich dir doch gesagt. Du kennst dich am besten von uns beiden mit der römischen Kultur aus.«
    »Bevor wir die Reise angetreten haben, hast du aber noch einen weiteren Grund genannt. Ganz kurz nur, als wäre es dir ungewollt herausgerutscht«, meinte Andreas beharrlich. »Du sagtest, du willst nicht, dass mir etwas zustößt. Erst jetzt habe ich gemerkt, dass das überhaupt keinen Sinn ergibt. Was hätte mir denn schon daheim in meiner Zeit zustoßen sollen, außer …« Er verstummte. Plötzlich verstand er.
    »Du hast mich belogen!«, sagte er heiser.
    Nun drehte Franklin ein wenig den Kopf und sah Andreas aus den Augenwinkeln an. Seine Miene verriet, dass ihn die letzten Worte des Ostgoten absolut unvorbereitet getroffen hatten; er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch er brachte keinen Laut heraus.
    Andreas erkannte nun entsetzt, dass sein Verdacht richtig war. Blass und mit einem merkwürdig weichen Gefühl in der Mitte des Leibes sprach er weiter: »Meine Welt wird nicht weiterexistieren können, wenn du deine Waffe abfeuerst und triffst! Sie … sie wird einfach verschwinden … vollkommen, als wäre sie … als hätte es sie nie gegeben.«
    »Genauso wird es sein«, entgegnete Franklin, der jetzt seine Überraschung überwunden und sich wieder gefasst hatte. »Es wird sie nie gegeben haben. Aber das konnte ich dir doch schließlich nicht auf die Nase binden. Ich brauchte deine Hilfe, und die hätte ich wohl kaum bekommen, wenn ich dir die Wahrheit gesagt hätte, oder?«
    Andreas konnte es einfach nicht glauben. Er hatte sich zum Totengräber seiner ganzen Welt machen lassen und dabei auch noch geglaubt, etwas Gutes zu tun. Dieser Mann, dem er vertraut hatte und der ihm jetzt plötzlich unendlich fremd erschien, hatte ihn heimtückisch betrogen.
    »Warum hast du mich mitgenommen?«, fragte Andreas nochmals, diesmal ganz leise.
    »Na, ich konnte doch nicht zulassen, dass ein Freund einfach ausgelöscht wird.«
    Als hätte dieser Satz den Damm von Andreas’ Selbstbeherrschung brechen lassen, brüllte er: »Ich bin nicht dein Freund!«. Blind vor Wut stürzte er sich auf Franklin.
    Dabei löste sich ein kaum hörbarer Schuss.
      
    Hauchfeine, helle Asche rieselte auf die Menschen hinab, die in der Via Iovia Longa standen und teils neugierig, teils unentschlossen dem fernen Donnern lauschten. Sie konnten die dunkle Wolke nicht sehen, die der geborstene Schlund des Vesuvius jetzt ausstieß. Hier und da fielen Steinbrocken, Überreste des explodierten Berggipfels, auf die Dächer und zertrümmerten einzelne Dachziegel.
    Niemand schien recht zu wissen, was er tun sollte. Nur Claudius Eupor lief mit wehender Toga die Straße hinab, so schnell ihn seine Beine tragen konnten. Er wollte mit seinen geretteten Schätzen rasch die Porta Portuensis erreichen; von dort aus führte die Straße in Richtung Stabiae, weg von dem unheilvollen Grollen, das vom Berg Vesuvius kam.
    Gerade passierte Claudius die Taverne des A. Paquius Quintus, als genau neben seinem Kopf völlig unerwartet der Putz mit einem Knall von der Mauer platzte. Kalkbrocken und kleine Ziegelsplitter
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