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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Autoren: Oliver Henkel
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Neonröhren an der Decke sorgten für kaltweiße Beleuchtung. Durch den Milchglaseinsatz der Tür konnte man die unscharfen Schatten von Menschen sehen, die draußen auf dem Korridor vorbeigingen. Jeder der beiden Ärzte hatte einen dampfenden Kaffeebecher vor sich auf dem weißen Kunststofftisch stehen. Dr. Reinfelds trug die Aufschrift Diagnose: Koffeeinschock mit einem Roten Kreuz daneben, während Dr. Kaselows in schlichtem Grün gehalten war.
    Sie nahm einen Schluck, dann meinte sie: »Ich finde das ganz erstaunlich … er wurde in einer Höhle aufgefunden?«
    »Stimmt. In der Kakushöhle, um genau zu sein. Das ist ein beliebtes Ausflugsziel, etwa vierzig Kilometer von hier. Die erste Gruppe von Wanderern, die an dem Morgen die Höhle besichtigen wollte, hat ihn gefunden. Er lag dort völlig nackt und bewusstlos.«
    Susanne Kaselow hob überrascht die Augenbrauen. »Davon stand in der Akte aber nichts.«
    »Nun ja, es gehört auch nicht zur Diagnose des physischen Zustands. Aber natürlich habe ich über die Begleitumstände auch komplette Unterlagen, sie liegen in meinem Büro. Ich werde sie Ihnen nachher geben.«
    »Danke sehr. Also, er wurde in der Höhle gefunden und die Leute haben Polizei und Krankenwagen gerufen. Wann ist der Mann wieder zu Bewusstsein gekommen?«
    Dr. Reinfeld rührte ein Stück Würfelzucker in seinen Kaffee und antwortete nach kurzem Überlegen: »Gleich nachdem er hier in die Notaufnahme eingeliefert worden war. Er wirkte dann vollkommen verwirrt, desorientiert und war extrem unruhig. Wir mussten ihm erst ein Beruhigungsmittel geben, bevor wir ihn untersuchen konnten.«
    Nachdem sie erneut einen Blick in die Aufzeichnungen geworfen hatte, strich sich sich nachdenklich mit dem Daumen über das Kinn. »Frischer Bluterguss an der linken Seite des Unterkiefers, abklingende Spuren einer mindestens vier Wochen zurückliegenden Prellung am Hinterkopf … sonst keine Hinweise auf physische Schäden. Also, verletzt war er nicht.«
    »Das ist richtig«, entgegnete Christian Reinfeld. »Aber das Folgende ist besonders bemerkenswert.«
    »Da bin ich Ihrer Meinung.« Susanne Kaselow tippte auf einen Absatz der maschinengeschriebenen Krankenakte. »Keine Anzeichen irgendeiner Zahnbehandlung, weder Füllungen noch Kronen. Hat man nicht häufig.«
    »Stimmt genau. Überhaupt, seine Zähne … wir schätzen das Alter des Mannes auf Mitte zwanzig, aber dafür hat er schon ziemlich stark abgenutzte Zähne. Auch reichlich Zahnstein, aber dafür wenigstens keine Karies. Dazu ein leichter Überbiss, er hätte als Kind eine Klammer gebraucht. Ach ja, wir haben an seinem ganzen Körper auch keine Impfnarben gefunden. Genau genommen waren da gar keine Spuren ärztlicher Behandlung. Alles in allem ist er ein total unbeschriebenes Blatt, die Polizei hat ihn auch weder in der Vermisstenkartei noch in den Fahndungslisten.«
    »Das ist außergewöhnlich«, sagte Dr. Kaselow, »aber für mich ist eher die psychologische Komponente dieses Falles von Interesse. Als Sie ihn nach und nach zum Sprechen bewegen konnten, hat er sehr – hm – verworrene Dinge von sich gegeben, wie ich hier lese.«
    Dr. Reinfeld verzog den Mund zu einem Grinsen. »Das kann man wohl sagen. Zunächst verstanden wir kein Wort von seinem Kauderwelsch, aber dann hat ein Kollege aus der Unfallchirurgie, ein Italiener, sich ganz gut mit ihm verständigen können. Es sieht so aus, als würde unser Patient eine wüste Phantasiemischung aus Latein und Italienisch sprechen, die er sich selber ausgedacht hat – passend zu seiner wirren Geschichte. Er redet dauernd davon, dass er aus Rom kommt und für einen Kaiser namens Skorpion gegen Karl den Großen gekämpft hat. Und er erwähnt öfter einen gewissen Captain Franklin Vincent von der US Air Force, mit dem er eine Reise nach Pompeji gemacht haben will … in einer Zeitmaschine!«
    Susanne Kaselow schüttelte den Kopf.
    »Ich habe schon manches von meinen Patienten gehört, aber so etwas ist sogar mir neu. Gibt es diesen Amerikaner eigentlich wirklich?«
    »Sie werden es nicht glauben, ja. Wir haben nachgeforscht, und einen einzigen Captain Franklin Vincent gibt es tatsächlich. Er ist irgendwo in der Verwaltung bei der Air Force in Frankfurt. Ich habe mit ihm telefoniert, aber keiner seiner Freunde und Bekannten gilt als vermisst. Weiß der Himmel, wie unser Patient gerade auf diesen Namen gekommen ist.«
    »Zufall, vermute ich«, sagte Dr. Kaselow und machte sich in ihrem Merkheft einige Notizen
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