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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition)
Autoren: Martin Suter
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schrie: »Was ist das Problem, Arschloch?«
    Die beiden Müllmänner kamen hinter dem Wagen hervor. Die Sache wäre ausgeartet, wenn Ronnie nicht dazugekommen wäre. Er legte Taler beruhigend die Hand auf den Arm und führte ihn weg. »Entschuldigen Sie«, sagte er zu dem Fahrer und seinen Kollegen. Wie der Besitzer einer zähnefletschenden Dogge zu einer Gruppe von Joggern.
    »Wie gut, dass die gekommen sind«, sagte er zu Taler, »jetzt können wir die Container austauschen.«
    Taler bedankte sich für die Rettung. Aber Anspannung und Übermüdung hatten den Damm brüchig werden lassen, der den angestauten Hass auf alles und jeden bis jetzt zurückgehalten hatte.
    Kurz nach dem Vorfall tauschten Betrios Leute die Müllcontainer gegen die älteren Modelle auf den Fotos.

21
     
    Die Prognosen hatten schönes Wetter vorausgesagt, aber als Peter Taler nach einer kurzen, unruhigen Nacht ans Fenster trat, hatte sich der Gustav-Rautner-Weg mit dem ersten Herbstnebel des Jahres verhüllt, als wollte er sich vor der Zeit verstecken.
    Die drei kleinen Häuser lagen da wie traumversunken. Schemenhaft dahinter der alte Baumbestand der Villa Latium.
    Alles war so unwirklich, wie es die vergangenen Wochen und Monate gewesen waren.
    Als er über die Straße ging, fiel ihm die Stille auf. Die Gärtner und die Ausstatter waren im milchigen Licht des Herbstmorgens bei der Arbeit. Aber sie verrichteten sie schweigsam, wie in Ehrfurcht vor diesem geheimnisvollen Tag.
    Auch in Knupps Haus war es still. Er und Angela hatten ihn erwartet. Sie wollten einen letzten Kontrollgang durch die Räume machen und nach Fehlern oder Unsorgfältigkeiten suchen.
    Sie begannen im Schlafzimmer. Knupps Feldbett war weggeräumt, und auf dem Ehebett lag der geklöppelte Überwurf. Die Falten, die dieser jetzt so natürlich bildete, waren das Resultat mehrerer Stunden Feinarbeit.
    Über dem Fußteil der Bettstatt hingen ein hellblaues Nachthemd und ein gestreifter Pyjama. Bei beiden hielt der Faltenwurf jedem Vergleich mit den Fotos stand.
    Auf der Marmorplatte des Waschtischs lagen Kamm und Bürste und der Parfumzerstäuber mit den Silbermotiven.
    Marthas Zimmer wirkte, als wäre es der schwierigste Raum des ganzen Hauses gewesen, mit all seinen Stickereien, Spitzen, Bordüren, Deckchen und Rüschen. Aber das Gegenteil war der Fall: Knupp hatte in Marthas Refugium in all den Jahren nichts angerührt. Die meisten Sammelstücke hatten sich ihre Faltenwürfe über einundzwanzig Jahre bewahrt. Möglich, dass das eine oder andere Stück an einer Faltstelle etwas brüchig geworden war. Aber sichtbar im Kerbeler’schen Sinne war davon nichts.
    Das Vermessungszimmer war jetzt wieder zum Gästezimmer geworden. Das Fenster war noch geschlossen, aber die Markierungen für die Öffnungswinkel der Flügel waren angebracht. Man musste sie nur noch öffnen. Die Blumen in der Vase fehlten noch. Die Floristin hatte genaue Anweisungen, sie würde die Rosen heute bringen und nach Angelas Vorgaben hineinstellen. Es mussten gelbe gewesen sein, Knupp war sich sicher. Gelb war Marthas Lieblingsfarbe für Rosen.
    An der ganzen oberen Etage hatten sie nichts auszusetzen. Beim Dachboden war die Sache etwas komplizierter. Knupp besaß nur drei Fotos davon. Er hatte zwar damals den Kameratest auch mit einer Art Hausreportage verbunden, um das teure Filmmaterial nicht ganz zu verschwenden, aber den Dachboden hatte er mehr der Form halber mit einbezogen. Jetzt waren die Veränderungen, die er selbst bewirkt hatte, zwar abgeräumt, zum Beispiel das Podest auf den Backsteinen, von dem aus er seine Beobachtungen gemacht und fotografiert hatte. Die Möbel und Gegenstände, die er für die Dauer der Vorbereitungen hier zwischengelagert hatte, waren wieder zurück an ihren angestammten Plätzen.
    Von den Zeitschriften, den Waschkörben voller Gerümpel, den Schachteln mit Schießtrophäen besaß er nur zwei Fotos. Bei dem, was darauf nicht sichtbar war, musste er sich darauf verlassen, dass in den Jahren nichts daran verändert worden war. Was – damit beruhigte er sich – bei einem Dachboden nicht unwahrscheinlich schien.
    Sie gingen ins Erdgeschoss hinunter. Knupps Arbeitszimmer sah aus, wie er es vor einundzwanzig Jahren verlassen hatte. Auf dem aufgeräumten Schreibtisch lagen die aufgerissenen Filmpackungen, eine halb aufgefaltete Michelin-Karte von Kenia und ein altmodischer ewiger Kalender aus weinrotem Leder. Im Fach für den Monat lag der Oktober zuoberst, im Fach für den Tag
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