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Die Zeit der Katzenpfoten

Die Zeit der Katzenpfoten

Titel: Die Zeit der Katzenpfoten
Autoren: Frederik Pohl
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dies war schließlich mehr oder weniger Haras Party. Aber er konnte Hara im Augenblick nirgends sehen. Und überhaupt, entschied er, brauchte er Hara gar nicht. Er ging auf das Mädchen zu und berührte leicht ihren Arm.
    »Mein Name ist Charles D. Forrester«, sagte er. »Ich bin fünfhundertsechsundneunzig Jahre alt. Ich besitze eine Viertelmillion Dollar. Ich bin seit meinem Tiefschlaf heute das erste Mal unter Menschen, und ich würde mich freuen, wenn du dich zu mir setzen und dich ein Weilchen mit mir unterhalten oder mich küssen würdest.«
    »Aber gern«, sagte sie und nahm seine Hand. »Legen wir uns doch hier zwischen die Veilchen. Paß bitte auf meinen Joker auf; er ist mit was Besonderem geladen.«
    Eine halbe Stunde später kam Hara vorbei und fand sie auf dem Rücken liegen, einer den Arm unter den Körper des anderen geschoben, die Gesichter einander zugewandt.
    Forrester bemerkte ihn sofort, aber er unterbrach seine Unterhaltung mit dem Mädchen nicht. Von einer Rebe über ihren Köpfen hatten sie die glasklaren Beeren gepflückt und gegessen, und die Wirkung der berauschenden Früchte, die ganze Situation und sein allgemeines Wohlgefühl hatten dazu beigetragen, sein Gefühl für gesellschaftliche Konventionen abzustumpfen. Hara würde das sicher verstehen und entschuldigen. »Kümmere dich nicht um ihn, Liebling«, sagte er zu dem Mädchen. »Du sagtest gerade, ich solle mich nirgends als Mäzen eintragen.«
    »Und auch nicht als Jagdbeute. Viele Neulinge fallen drauf rein, weil man zuerst gut dabei verdient. Die meisten denken nur nicht daran, daß sie es am Ende doch teuer bezahlen müssen.«
    »Sehr interessant«, sagte Forrester. Dann seufzte er, wandte sich von dem Mädchen ab und nickte Hara zu. »Offen gestanden, Hara«, sagte er, »du bist hier überflüssig.«
    »Und du bist betrunken«, antwortete Hara. »Tag, Tip. Ihr scheint euch ja gut zu verstehen.«
    »Er gefällt mir«, sagte das Mädchen. »Du natürlich auch, Tip. Ist es schon Zeit für den Champagner?«
    »Schon lange. Deswegen komme ich nämlich. Ich habe allerhand Mühe gehabt, diesen Champagner für die Party zu besorgen, und Forrester wird jetzt aufstehen und davon trinken und uns zeigen, wie es gemacht wird, ob ihm das nun paßt oder nicht.«
    »Man hält das Glas schräg«, sagte Forrester, »und dann kippt man.«
    Hara betrachtete ihn noch einmal aufmerksamer, dann schüttelte er den Kopf und fingerte an seinem Joker herum. »Hast du denn ganz vergessen, was ich dir gesagt habe?« schalt er und besprühte Forrester mit etwas, was sich einen Augenblick lang wie eine belebende und keineswegs unangenehme eiskalte Dusche anfühlte. »Nicht gleich zuviel trinken. Du mußt dich erst eingewöhnen. Vergiß nicht, daß du tot warst. Halt dich bitte an das, was ich dir sage, ja? Und jetzt wollen wir uns um den Champagner kümmern.«
    Forrester stand wie ein gehorsames Kind auf und zog hinter Hara her zu einem der Tische mit Erfrischungen. Den Arm hatte er um das Mädchen geschlungen. Ihr helles Haar bildete eine wuschelige Krone, und in der wechselnden Beleuchtung sah es aus, als nisteten Glühwürmchen darin.
    Falls ich jemals meine frühere und möglicherweise zukünftige Frau Dorothy wiedersehen sollte, dachte Forrester, werde ich mir dergleichen wohl abgewöhnen müssen. Aber im Augenblick war es äußerst ange nehm. Und beruhigend. Mit einem hübschen Mädchen im Arm war es schwierig, sich daran zu erinnern, daß sein Körper noch vor neunzig Tagen als kryogener Kristall in einem Flüssighelium-Bad gelegen hatte, mit stillstehendem Herzen und Verstand und mit einem Klumpen vernarbten Gewebes anstelle der Lunge.
    Er ließ brav den Champagnerkorken knallen, proste te den anderen zu und trank. Die Marke war ihm unbekannt, aber es war tatsächlich Champagner. Auf Haras Bitte hin brüllte er unter lautem Beifall die Verse von »Der Bastard-König von Engelland« und ließ nicht zu, daß jemand ihn ernüchterte, obwohl er wußte, daß er langsam zu torkeln und zu stammeln anfing. »Ihr dekadenten Waschlappen«, schrie er gutgelaunt, »was ihr alles könnt! Nur euch besaufen, das könnt ihr nicht!«
    Sie tanzten jetzt, etwa zwanzig Personen untergehakt im Kreis, mit Füßestampfen und plötzlichen Schwenkungen, zu einer Musik, die nach Flöten und Cello-Pizzikati klang. Das Mädchen rief: »Oh, Charles! Charles Forrester! Du machst ja wahrhaftig eine Arkadierin aus mir!« Er nickte und grinste, hielt sich rechts an ihr und links an
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