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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter
Autoren: Petra Durst-Benning
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Adini.
    »Bestimmt sind unter den Teilnehmern von Vaters Pferderennen ein paar schneidige Offiziere«, seufzte Mary. »Wollen wir nicht doch versuchen, ein paar Blicke auf sie zu erhaschen? Das Brot kannst du auch an die Pferde verfüttern.«
    »Aber Vater hat doch gesagt, wir dürften nicht.«
    »Wenn wir es geschickt anstellen, bekommt er doch gar nicht mit, dass wir da sind!« Lachend sprang Mary davon. Olly und Adini zöger ten kurz, dann rannten sie hinterher.
    Die Offiziere hatten ihr Rennen auf die Straße in Richtung Petersburg verlegt, daher war es rund um die Pferdeställe wie ausgestorben. Lediglich ein paar Stallburschen fegten den Hof, schleppten Stroh und Heu in die Ställe. Aus dem Inneren der Schmiede war das metallische Schlagen eines Hammers auf den Amboss zu hören.
    »Da hast du wieder mal eine tolle Idee gehabt«, schnaubte Olly. Weitere Schauer liefen ihren Rücken hinab. Sie war sich nun ziemlich sicher, dass sie krank werden würde.
    Mary stocherte mit einer Peitsche, die an der Stallwand gelehnt hatte, mürrisch im Sand.
    »Großfürstin Maria, wollen Sie und Ihre Schwestern ausreiten?«, ertönte hinter ihnen plötzlich die Stimme eines Mannes.
    DieKöpfe der Mädchen fuhren herum. »Kolja!«, kam es wie aus einem Mund.
    Beklommen schauten sich Olly und Adini an. Das hatten sie nun davon! Wenn Vater von seinem ersten Pferdepfleger erfuhr, dass sie sich nicht an sein Verbot gehalten hatten, drohte ihnen das nächste Donnerwetter.
    »Tja, ähm … eigentlich … sind wir gar nicht da«, stammelte Olly.
    »Sind denn überhaupt Pferde im Stall?«, fuhr Mary dazwischen.
    Kolja schüttelte den Kopf. »Nur die Ponys. Die meisten Pferde sind am Rennen beteiligt, lediglich Lugano und ein paar andere stehen auf der hinteren Weide.«
    Marys Augen leuchteten beim Namen des Lieblingspferdes ihres Vaters auf. Kein anderes Pferd war so prachtvoll wie der große schwarze Hengst. »Lugano! Wir wollen ihn nur kurz besuchen, haben sogar Brot mitgebracht. Zeig’s her, Olly!«
    Warum tat sie eigentlich immer genau das, was Mary ihr befahl?, fragte sich Olly verdrießlich, während sie das Brot aus ihrer Tasche zog.
    Der alte Mann kratzte sich am Bart. »Zar Nikolaus ist sehr eigen, wenn es um Lugano geht. Eigentlich darf ich niemanden zu ihm lassen …«
    »Kolja! Hältst du uns etwa für niemanden ? Ich hoffe nicht, dass Vater jemals erfährt, wie unverschämt du uns gegenüber bist.«
    Bevor Olly wusste, wie ihr geschah, riss Mary ihr die Brotscheiben aus der Hand. »Wir gehen jetzt Lugano besuchen. Und wehe, du erzählst unserem Vater von unserer Visite, dann Gnade dir Gott.« Sie hob die Peitsche, als wollte sie dem alten Mann eins überziehen.
    »Mary!«, rief Olly, doch da hatte diese schon auf dem Absatz kehrtgemacht und stakste mit hocherhobenem Kopf davon.
    Olly und Adini folgten ihr stumm.
    Außer Nikolaus’ wertvollem schwarzen Zuchthengst Lugano standen noch zwei braune Wallache auf der Weide. Das Gras wirkte nach dem anhaltenden Regen des Vormittags noch saftiger und grü ner alssonst. Jedes Mal, wenn die Mäuler ein Büschel abrupften, ertönte ein leises Knirschen. Lugano war der Erste, der die Mädchen sah. Wiehernd kam er an den Zaun, seine Gefährten folgten in gebührlichem Abstand.
    »Wie schön er ist«, hauchte Adini. »Wenn ich einmal groß bin, möchte ich auch einen Rappen. Jeden Tag würde ich seine Mähne bürsten, bis sie genauso seidig ist wie die von Lugano.«
    Unter Marys Aufsicht verteilten die Mädchen die Brotstückchen so gerecht wie möglich, was nicht einfach war, da der Hengst seine Mitstreiter ständig verbiss. Irgendwann war das Brot alle, aber die Pferde blieben in Erwartung von Streicheleinheiten weiterhin am Zaun stehen. Um den Tieren näher zu sein, stiegen die Mädchen durch das Gatter auf die Weide. Olly lehnte ihren Kopf an Luganos Hals und schloss für einen Moment die Augen. Der Hengst grummelte freundlich und fuhr mit seiner Nase sanft über Ollys Schulter, als wollte er ihr Streicheln erwidern. Wie weich sein Fell war – weicher als der feinste Damenhandschuh! Und wie gut er roch! Nach Pferd und gequetschtem Hafer und ein bisschen nach Urin. Olly gähnte. Am liebsten hätte sie sich noch enger an das große Tier gekuschelt, ihre Arme um ihn geschlungen und –
    »Und jetzt veranstalten wir unser eigenes Pferderennen!«, ertönte Marys laute Stimme, und die Vertrautheit, in der Lugano und Olly sich befunden hatten, war zerstört. Das Pferd stob mit ein paar
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