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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter
Autoren: Petra Durst-Benning
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geschrien. Die Glocken sämtlicher Kirchen läuteten, Kanonendonner schallte durch die Straßenschluchten, Blumen wurden geworfen. Und immer wieder ertönte ein Name: »Olga!« »Olga!« »Olga!«
    Olly konnte sich nicht sattsehen an den glückstrahlenden Gesichtern. Natürlich waren ihr solche Menschenspaliere nicht fremd, von jeher hatten die Menschen den Romanows zugejubelt, wo immer sie auftauchten. Aber die Ehrerbietung der Stuttgarter hatte eine andere Qualität, sie wirkte so ehrlich, so herzlich. In ihren Jubelrufen lag nicht der Hauch von Neid oder gar Aggression, so wie Olly es manchmal in den Straßen von St. Petersburg zu spüren geglaubt hatte.
    Sie hatten gerade einen besonders überfüllten Platz passiert, als rechts von ihnen eine Gruppe Schulmädchen in ihr Blickfeld kam. »Freude schöner Götterfunken« erschallte aus einem Dutzend Mädchenkehlen. Noch nie hatte Olly dieses Chorstück aus Beet hovens Neunter Symphonie so leidenschaftlich gesungen gehört. Ein blondes Mädchen in der ersten Reihe, ein Gebäckstück in beiden Händen haltend, sang besonders laut und inbrünstig.
    »Anhalten! Bitte!«, rief Olly dem Kutscher zu. Sofort kam Unruhe in die Menge, hier wurde gedrängelt, da gestoßen, Hände streckten sich dem königlichen Gefährt entgegen, alle wollten die Kutsche, besser noch ihre Insassen, berühren.
    »Olly, wir können nicht stehen bleiben. Das ist viel zu gefährlich!«, raunte Karl ihr nervös zu.
    »Nur kurz, bitte«, sagte sie und winkte den Mädchenchor zu sich heran. Die ältere Dame, die den Chor dirigiert hatte, wies die Mädchen eilig an, einen tiefen Knicks zu machen, und tat es ihnen gleich.
    »Schönhabt ihr gesungen«, sagte Olly in bemühtem Deutsch. »Ich danke euch.«
    »Meine Großmutter sagt, du wirst einmal unsere neue Königin Katharina – stimmt das?« Neugierig schaute das blonde Mädchen, das noch immer krampfhaft sein Gebäck festhielt, Olly an.
    Die ältere Dame sah aus, als würde sie vor Schreck in Ohnmacht fallen. Auch Olly stutzte einen Moment lang.
    »Wenn deine Großmutter das sagt«, antwortete sie dann lächelnd. »Ich heiße aber Olga, nicht Katharina.«
    »Verzeihen Sie den Fürwitz meiner Enkelin«, stotterte die ältere Dame, der die Röte ins Gesicht geschossen war. »Es ist nur … Wir freuen uns so sehr über Ihre Ankunft in Stuttgart! Gott beschütze Sie auf allen Wegen.«
    »Sie kannten meine Tante Katharina?«, fragte Olly, die drängenden Blicke ihres Gatten ignorierend.
    Die ältere Dame nickte. »Königin Katharina hat mir ermöglicht, zusammen mit den Töchtern aus höherem Haus das Katharinenstift zu besuchen. Ich habe Ihrer Tante viel zu verdanken.«
    »Ich gehe auch auf diese Schule«, piepste das blonde Mädchen vergnügt. Dann hielt sie Olly das Gebäckstück hin. »Die habe ich aufgehoben. Extra für Sie!«
    »Meine erste Brezel! Das Gebäck, durch das drei Mal die Sonne scheint.« Olly lächelte das Mädchen gerührt an. »Mein Gatte hat mir davon erzählt, aber ich habe noch nie eine in der Hand gehalten. Vielen Dank.«
    Karl hatte das Gespräch lächelnd verfolgt. Nun sagte er: »Eine Brezel zu essen bringt Glück, sagt man. Ich werde dafür sorgen, dass du fortan täglich einen ganzen Korb Brezeln bekommst!«
    Und weiter ging es durch die überfüllte Stadt. Eine halbe Stunde später kam ein großes U-förmiges Gebäude in Sicht, vor dem sich ebenfalls Tausende von Menschen versammelt hatten.
    »Schau, das Schloss. Bis unsere Villa fertig ist, werden wir dort wohnen.« Zärtlich strich Karl Olly über die Wange. »Und, wie ist dein erster Eindruck von Stuttgart?«
    »Alles ist noch tausendmal schöner, als ich es mir vorgestellt habe«,flüsterte Olly mit tränenerstickter Stimme, während die Olga-Rufe der Stuttgarter Bürger immer lauter wurden.
    Karl schüttelte den Kopf. »Unglaublich, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Du hast das Herz der Württemberger wirklich im Sturm erobert!«
    »Meinst du? Und ich hatte solche Angst …« Olly stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. »Dass die Stuttgarter mich so herzlich aufgenommen haben, werde ich ihnen nie vergessen. Ach Karl, du hast mir in Palermo nicht zu viel versprochen: Du schenkst mir wirklich den Himmel auf Erden.«
    Wer wissen möchte, wie die Geschichte von Olga weitergeht, darf sich jetzt schon auf die Fortsetzung dieses Romans freuen. Der neue Roman von Petra Durst-Benning erscheint im September 2010.
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