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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter
Autoren: Petra Durst-Benning
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du es nicht mit eigenen Augen gesehen hast!«
    »Und was ist mit Karl? Wenn er wirklich so aufgeregt ist, sollte ich ihm vielleicht ein wenig gut zureden.« Stirnrunzelnd schaute Olly den jüngeren Bruder an. »Also wirklich, heute ist nicht der Tag, um –« Bevor sie wusste, wie ihr geschah, zog Kosty ihre Decke vom Bett.
    »Karlkann ja mitkommen, wenn er will. Es würde ihm auf alle Fälle guttun. Der Ernst des Lebens hat euch beide bald genug in seinen Fängen.«
    Vor dem Schlosseingang trafen sie auf Friedrich Hackländer, der ein schwarzes Gewand über dem Arm trug. Der Sekretär sah abgehetzt und verschwitzt aus.
    »Was für ein herrlicher Morgen, finden Sie nicht auch?«, sagte Olly betont fröhlich. »Und dazu dieses laue Lüftchen …«
    Der Sekretär nickte säuerlich. »Ein schöner Tag, gewiss. Genießen Sie das laue Lüftchen nach besten Kräften. Es kann gut sein, dass Ihnen bald ein rauerer Wind um die Nase weht.«
    »Was hatte das zu bedeuten?« Stirnrunzelnd schaute Kosty hinter Hackländer her.
    Olly machte ein grimmiges Gesicht. Was für ein Spielverderber! Wahrscheinlich konnte Hackländer es einfach nicht ertragen, dass die Planungen für den heutigen Tag auch ohne ihn reibungslos verlaufen waren – schon gestern Abend hatte er mehr als eine spitze Bemerkung gegenüber Gortschakoff gemacht.
    »Mit manchen Menschen werde ich einfach nicht warm. Leider gehört Karls Sekretär auch dazu.«
    Kurze Zeit später kam sie aus dem Staunen nicht mehr heraus: Direkt vor ihnen, in einem abgelegenen Teil des Gartens, stand ein Karussell mit bunt bemalten, hölzernen, lebensgroßen Pferden. Ein paar Meter weiter gab es eine Schiffschaukel, daneben einen Scherzbrunnen wie in Peterhof. Ein sogenanntes Russisches Rad vervollständigte die Runde.
    »Ein Spielplatz für Erwachsene – ich muss Karl unbedingt fragen, wer sich das ausgedacht hat. Doch nicht etwa sein Vater? Also wirklich, diese Vorstellung ist zu abwegig.« Lachend schüttelte Olly den Kopf.
    Kosty grinste. »Einer der Gärtner hat mir diesen Platz bei meinem morgendlichen Spaziergang gezeigt, mein Deutsch reichte leider nicht aus, um den Mann nach Einzelheiten zu fragen.«
    Sehnsuchtsvollschaute Olly auf das Karussell mit den Pferden. Auf einmal fühlte sie sich unbändig jung und sorglos. Sie lachte befreit auf.
    »Ich weiß, es ist kindisch – aber ob wir es wohl ausprobieren könnten?«
    Kosty schüttelte bedauernd den Kopf. »Um das Karussell in Gang zu bringen, bedarf es einiger kräftiger Männer. Scheinbar werden dafür Gefangene eingesetzt, die unterirdisch an Rädern drehen.« Kosty schaute seine Schwester liebevoll an. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, was deine neue Heimat sonst noch alles zu bieten hat – aber dass es hier einen Spielplatz für Erwachsene gibt, ist doch schon mal ein gutes Zeichen, oder?«
    Olly nickte. Sie drückte Kosty einen Kuss auf die Wange. Arm in Arm spazierten sie in Richtung Residenzschloss.
    Der Festzug kam nur langsam voran, immer wieder musste die begleitende Eskorte Schaulustige, die in die Straßenmitte drängten, zurück an den Rand dirigieren. Viele Menschen hielten kleine Präsente in die Höhe – Blumen, Weinflaschen und Gebäck –, um sie dem Kronprinzenpaar zu überreichen. Auch sie wurden sicherheitshalber zurückgedrängt.
    »Können wir nicht ab und an halten?«, fragte Olly, der die enttäuschten Blicke der Menschen nicht entgingen. Doch Karl schüttelte nur den Kopf. In diesem Fall würden Chaos und Unordnung überhandnehmen. Das Schloss würden sie dann gar nicht mehr erreichen.
    So blieb Olly nichts anderes übrig, als den Menschen lächelnd zuzuwinken. Sie und Karl führten den Zug in einer offenen Prunkkutsche an, das Königspaar folgte erst an zweiter Stelle. Dahinter reihten sich weitere Kutschen ein, in denen Karls Schwestern saßen: Sophie, Königin der Niederlande, Marie, Auguste, Katharina sowie weitere weibliche Verwandte. Ollys Bruder Kosty und andere Adelsherren begleiteten den Zug hoch zu Pferd.
    Der Weg führte sie durch die Neckarstraße, die Esslinger und die Hauptstätter Straße, bis sie schließlich auf die Königstraße gelang ten.An deren Ende liege der Schlossplatz und das Schloss, erklärte Karl Olly, während sie fassungslos auf die riesige Menschenmenge schauten, die ihnen zujubelte.
    »Hoch lebe Olga!«
    »Hoch lebe das Hochzeitspaar!«
    »Ehre unserem Kronprinzen!«
    »Schaut nur, was für ein schönes Paar!«
    Es wurde gesungen, getrommelt, gepfiffen und
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