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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter
Autoren: Petra Durst-Benning
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glänzende Ackerflächen. Jetzt, zur Erntezeit, waren auf den Feldern entlang der Straßen bäuerlich gekleidete Männer und Frauen unterwegs, die eine reiche Ernte einfuhren: Krautköpfe, Bohnen, Rüben und vielerlei anderes Gemüse türmten sich auf Leiter- und Pritschenwagen. Die Frauen trugen außerdem Körbe voller Pflaumen, Mirabellen, Birnen.
    Olly war angesichts dieser Fülle nicht aus dem Staunen herausgekommen. All diese Sorten konnten in Russland mit seinen viel zu kurzen Sommern nur in Gewächshäusern herangezogen werden. Dagegen war Württemberg ein Schlaraffenland!
    Karl hatte angesichts ihrer Begeisterung gestrahlt und voller Stolz erzählt, dass im Lieblingsgarten seines Vater, der Stuttgarter Wilhelma , im Frühsommer sogar Erdbeeren wuchsen. König Wilhelm, der diese Früchte über alles liebte, habe einst einen französischen Hofgärtner angeworben, damit dieser für ihn Terrassenbeete anlegte, auf denen die zarten Früchte genügend Sonne bekamen. Die Erdbeerzeitsei zwar für dieses Jahr längst vorbei, aber vielleicht – mit ein wenig Glück – würden die Früchte ein zweites Mal tragen.
    Erdbeeren … Olly spürte, wie ihr im Halbschlaf das Wasser im Mund zusammenlief. Ob es möglich war, sich ein Frühstück aufs Zimmer bringen zu lassen? Ein duftendes Stück Weißbrot und dazu Erdbeermarmelade …
    Abrupt setzte sie sich auf. Wo war sie eigentlich? In einem Schloss? Einem Gasthof?
    Ihr Schlafzimmer war groß, sehr herrschaftlich und ganz in Hellblau gehalten. Über der Tür prangte ein Wappen, darunter standen die drei Worte »Furchtlos und treu«. Olly runzelte die Stirn. War das nicht der Wahlspruch des Königshauses Württemberg? Und hatte sie das Wappen am gestrigen Abend nicht mehrfach gesehen?
    Die königliche Residenz in Ludwigsburg. Sie waren nur noch einen Steinwurf von Stuttgart entfernt. Jetzt wurde es ernst! Am liebsten hätte sie sich die Decke über den Kopf gezogen und sich weit, weit weg geträumt. Wenn nur schon alles vorbei wäre …
    Laut Fürst Gortschakoff, der am gestrigen Abend zu ihnen gestoßen war, würden sie in den nächsten sieben Tagen aus dem Feiern nicht mehr herauskommen.
    »Sie werden in einer offenen Kutsche in die Stadt fahren, der König und die Königin fahren separat hinterher, das Augenmerk des Volkes soll sich ganz auf Ihre Hoheit und den Kronprinzen richten«, hatte der russische Abgesandte erklärt. »Seit Wochen laufen die Planungen für diese Fahrt, sie soll einem Triumphzug gleichen. Das Volk wird in Jubelrufe ausbrechen, die Sonne wird strahlen …«
    An dieser Stelle hatte Olly lächelnd eingeworfen, wie grandios es doch sei, dass die Organisatoren das schöne Wetter gleich mitbestellt hätten.
    Während alle ihren Scherz mit Gelächter goutierten, schaute Karl stirnrunzelnd in die Runde.
    »Ich weiß nicht, ob das nicht alles zu viel des Guten ist. Die Stuttgarter sind ein eigenes Volk. Vielleicht ist ihnen der ganze Aufwand zu viel? Womöglich bewerfen sie uns sogar mit faulen Eiern …«
    »Aber Karl, wie kommst du auf so eine Idee?«, rief Olly entsetzt, währendsie Hackländer misstrauisch beäugte. Hatte er wieder Zweifel in Karl gesät?
    »Mein lieber Prinz, Sie haben nichts dergleichen zu befürchten«, hob der Sekretär eilig an. »Wo Sie doch darauf bestanden haben, anlässlich Ihrer Vermählung den Armen und Kranken der Stadt äußerst großzügige Spenden zukommen zu lassen.«
    »Du hast was?« Stirnrunzelnd schaute Olly ihren Mann an. Spenden für die Armen – warum war sie nicht auf diese Idee gekommen?
    Karl nickte. »Ich dachte mir … Zur Feier des Tages. Alles nicht der Rede wert.«
    »Von wegen! Ein Glas Rotwein zur Stärkung für die Erwachsenen. Und eine Brezel für jedes Kind«, erwiderte Hackländer schmallippig. »Nicht gerade ein billiges Vergnügen, es hat in unsere Kasse ein tiefes Loch gerissen. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Anzahl der Stuttgarter Kinder von einem Tag auf den anderen verdoppelt hat.«
    »Und wenn schon«, sagte Olly lachend. Dann wandte sie sich an Karl. »Warum hast du mir von dieser schönen Idee nicht früher erzählt? Ich hätte mich gern an den Kosten beteiligt.«
    »Oh, das können Sie immer noch –«
    »Ich wollte dich überraschen«, unterbrach Karl seinen Sekretär. »Dir sind die Armen doch so wichtig.«
    Liebevoll strich Olly über seine Wange. »Was bist du nur für ein wundervoller Mensch …«
    Fürst Gortschakoffs Hüsteln beendete den innigen Moment.
    »Eine sehr
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