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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter
Autoren: Petra Durst-Benning
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Stunden ermüdend. Warum hatte er sich vorher nicht genauer über den Ablauf einer russisch-orthodoxen Hochzeit informiert?, ärgerte er sich. Dann wüsste er nun, warum das Brautpaar zum wiederholten Mal von einem der Priester um den Altar herum geführtwurde. Und warum der Mann dabei ihre Daumen aneinanderdrückte. Dann wüsste er auch, was es bedeutete, dass Olgas Brüder einen Schritt hinter Olga und Karl liefen und goldene Kronen über deren Köpfe hielten, statt sie einfach auf den Häuptern des Brautpaares abzusetzen.
    Auch wenn er den Sinn von alldem nicht verstand, wurde er doch von der feierlichen Stimmung in den Bann gezogen.
    Wie ärmlich würde dagegen die protestantische Trauung wirken, die im Anschluss stattfinden sollte. Da es weit und breit keine evangelische Kirche gab, war für die Zeremonie in einem der vielen Säle des Palastes ein kleiner Altar aufgebaut worden. Dieser wurde von einem schlichten weißen Leintuch bedeckt und von einem Strauß Blumen geziert. Bei ihnen würde es kein Herumlaufen um Altäre geben, bei ihnen würde das Brautpaar auf einer hölzernen Betbank knien, während der protestantische Pfarrer die kurze Trauungs formel sprach. Den Geistlichen hatten sie aus Württemberg mitgebracht – ein wortkarger dicklicher Mann, dem der ganze Prunk und Pomp körperliche Schmerzen zu verursachen schien. Jedenfalls drückte er ständig eine Hand auf seine Magengegend, was etwas befremdlich wirkte. Danach würden noch die Ringe getauscht werden, und das war es auch schon. Alles in allem würde die zweite Zeremonie höchstens eine halbe Stunde dauern.
    Hackländer konnte ein Grinsen nur mit Mühe unterdrücken. Nun würde es nicht mehr lange dauern und Olga Nikolajewna Romanowa, die Schönste der Schönen, würde einen ersten Vorgeschmack darauf bekommen, was sie in ihrem neuen Zuhause erwartete.
    Vorsichtig, um ihre dunkle Augenumrahmung nicht zu verschmieren, tupfte sich die Zarin ein paar Tränen der Rührung fort, während sie Karl und Olga beim Hochzeitswalzer zuschaute. Was für ein schönes Paar. Zum Glück sah Olly noch nicht aus wie vierundzwanzig, mit ihrer taufrischen Haut, ihrem klaren Blick und ihrem seidig glänzenden Haar wirkte sie höchstens wie achtzehn. Karl hingegen sah wesentlich älter aus als die dreiundzwanzig Lenze, die er zählte. Ein kleiner Schatten huschte über Alexandras Miene. Dass dieBraut fast ein Jahr älter war als der Bräutigam – so etwas hatte sie auch noch nicht erlebt. Aber über solche Details durfte man sich nun wirklich keine Gedanken machen. Vielmehr galt es, Gott zu danken, dass für Olly doch noch alles gut geworden war. Fast hätte sie nicht mehr daran geglaubt …
    Ein neuerlicher Schatten legte sich über Alexandras Miene, sie warf ihrem Gatten einen unfreundlichen Blick zu, den dieser jedoch nicht mitbekam. Wenn man es genau nahm, war es seine Schuld, dass Olly als alte Braut vor den Altar treten musste. Es hatte ja unbedingt der österreichische Erzherzog Stephan sein müssen! Dass sich Nikolaus jahrelang von den Österreichern hatte hinhalten lassen, verstand Alexandra bis heute nicht. Ihr wären in der Zwischenzeit noch etliche andere Kandidaten eingefallen, aber auf sie hatte ja niemand gehört. Wahrscheinlich wäre Olly und Nikolaus eh keiner gut genug gewesen.
    Vorbei und vergessen, heute war ein Tag zum Feiern! Alexandra ließ sich ein frisches Glas Champagner geben und schaute hinüber zur Tanzfläche, wo das Hochzeitspaar einen weiteren Walzer begann. Oje – was tänzerisches Können anging, vermochte sich Karl mit Nikolaus die Hand zu reichen. Beide waren eher dürftige Tänzer, dachte sie schmunzelnd. Schon im nächsten Moment gefror ihr Lächeln. Die plötzliche Rechtsdrehung und gleich darauf der Schwenk nach links – war es tatsächlich Olly gewesen, die dort bestimmte, wo es langging? Hoffentlich hatte dieser Tanz keinen symbolischen Charakter …
    Ein Übermaß an Willensstärke würde nicht einmal ein nachgiebiger Charakter wie Karl zu schätzen wissen. Männer waren nun einmal so, alles musste immer nach ihren Köpfen gehen.
    Alexandra seufzte tief auf.
    Ein guter Tänzer war sein Schwiegersohn nicht, dachte der Zar missmutig bei sich. Nicht, dass ihn dies wunderte. Karl konnte schließlich auch mit Pferden so wenig umgehen, dass er mit seinen »Reitkünsten« jede Militärparade durcheinanderbrachte. Warum sollte es ihm da besser gelingen, eine Dame über die Tanzfläche zu führen?
    Eshätte nicht viel gefehlt und
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