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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter
Autoren: Petra Durst-Benning
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nicht, dass Olly ihren geliebten Hund bei ihr lassen würde. Das wollte sie ihr erst kurz vor der Abreise sagen. So würde für immer ein Stück von ihr bei Anna bleiben. Sie umarmte die alte Freundin stürmisch.
    »Zehn Jahre … Als wir uns kennenlernten, war ich ein mürrisches, unglückliches Mädchen. Ich fühlte mich einsam und unverstanden, und wütend war ich auch. Auf alles und jeden. Wer weiß, was ohne dich aus mir geworden wäre.«
    »Natürlich ein genauso schöner Schmetterling, wie du heute einer bist, was denn sonst?«, sagte Anna lachend.
    »Ich danke dir von Herzen.« Olly sah sie liebevoll an. »Ohne dich hätte ich wahrscheinlich irgendwann aufgegeben, an mein Glück zu glauben. Aber mit dir an meiner Seite blieb mir nichts anderes übrig, als glücklich zu werden. Dabei …« Sie schmunzelte. »Mit deinem unerschütterlichen Optimismus bist du mir manchmal ziemlich auf die Nerven gegangen, weißt du das?«
    »Habe ich am Neujahrstag nicht recht behalten, als ich sagte, du würdest fortan nur noch auf Rosen gehen? Haben sich nicht all deine Wünscheerfüllt? In Stuttgart wirst du das Leben führen können, von dem du immer geträumt hast. Ich finde, wir zwei haben unsere Sache gut gemeistert. Allen Widrigkeiten zum Trotz!«, sagte Anna und klang sehr zufrieden dabei.
    Unwillkürlich musste Olly lachen. »Ja, das haben wir.« Sie griff nach der Flasche Champagner, die irgendjemand zusammen mit ein paar Gläsern in ihr Zimmer gestellt hatte, und öffnete sie mit ungeübten Fingern. »Lass uns anstoßen! Auf die wunderschönen Erinnerungen, die uns niemand nehmen kann. Auf die Zukunft, die vor uns beiden liegt. Und darauf, dass wir uns nie vergessen werden!«
    »Dein Karl ist ein guter Mann«, sagte Anna unvermittelt. »Ist dir eigentlich aufgefallen, wie glücklich er wirkt, seit er hier ist?«
    »Ich will doch hoffen, dass unsere gemeinsame Zukunft ihn glücklich stimmt!« Schmunzelnd hob Olly ihr Glas. Mit jedem Schluck des eisgekühlten Champagners hob sich ihre Feierlaune mehr.
    »Ich meine ausnahmsweise einmal nicht dich. Vielmehr glaube ich, dass der Prinz von Württemberg die allgemeine Aufmerksamkeit genießt«, sagte die Hofdame. »Denke doch nur daran, wie großartig dein Vater seinen zukünftigen Schwiegersohn empfangen hat. Nach allem, was du von Karls bisherigem Leben erzählt hast, nehme ich an, dass er solch ein feierliches Spektakel zu seinen Ehren selten erlebt hat …«
    Olly verzog den Mund. »Ihn schon im Hafen von Kronstadt mit ohrenbetäubendem Kanonendonner willkommen zu heißen, hielt ich für ein wenig übertrieben. Karl hat zwar nichts gesagt, aber bestimmt war er zu Tode erschrocken. Und dass Vater ihn dann auch noch nötigte, an Ort und Stelle die Uniform der Nischni-Nowgorod-Dragoner überzuziehen, also ich weiß nicht …« Ihre Brüder hatten ihr das ganze Erlebnis in glühenden Farben geschildert, Karl selbst hatte jedoch kein Wort darüber verloren. Grün im Gesicht vor lauter Seekrankheit, hatte er sich bei der ersten Gelegenheit zurückgezogen.
    »Es mag ja sein, dass dein Karl dem Militärischen wenig abgewinnen kann, aber dass ihm dein Vater eine große Ehre erwiesen hat, ist ihm gewiss nicht entgangen. Glaube mir, er genießt die Zuneigung deiner Familie in vollen Zügen, ja, sie tut ihm richtig gut! Hast du nichtbemerkt, dass er schon viel gesprächiger ist als damals in Palermo? In einer Unterhaltung schaut er nicht mehr schüchtern zu Boden, sondern seinem Gegenüber in die Augen. Er bewegt sich sogar nicht mehr so verkrampft und steif, sondern wie ein Großfürst. Sicher und selbstbewusst.«
    Olly runzelte die Stirn. »So schlimm war er nun auch wieder nicht. Ansonsten muss ich mich wirklich fragen, warum ihr mir alle zu dieser Heirat geraten habt.«
    »Jetzt tu nicht so beleidigt. Du solltest dich vielmehr freuen, dass es ist, wie es ist: Durch die Liebe und Zuneigung, die dein Karl bekommt, blüht er auf wie eine Blume, die endlich genügend Wasser und Sonne erhält. Ich glaube, an deiner Seite wird er sich prächtig entwickeln.«
    Ein Strahlen ging über Ollys Gesicht. »Ach Anna, du hast wie immer recht, aber was du sagst, gilt nicht nur für Karl, sondern genauso für mich.«
    Am nächsten Morgen wurde Olly durch laute Militärmusik aus dem Schlaf gerissen. Woher rührte sie? War sie Tag, war sie Traum? Blinzelnd schaute sie auf die geleerte Champagnerflasche, die kopfüber neben ihrem Bett in einem silbernen Kühler steckte. Eine kleine Wasserlache
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