Die wunderbare OX 82b Entstofflichungsmaschine (Retro-SF)

Besonderes mehr, da die Expresslinien hoffnungslos veraltet sind. Und so wartete ich ungeduldig mit einer Gruppe Leidensgenossen.
    Endlich wurde das Freizeichen für Band »IQ9« gegeben, und ich sprintete mit angewinkelten Armen hakenschlagend los. Erstaunlicherweise war Band IQ9 tatsächlich in Betrieb, was mir den leidigen Endspurt zu meinem Anschluss ersparte. Dazu muss gesagt werden, dass diese Beförderungsbänder zu den Expresszubringern an sechs von sieben Tagen außer Betrieb sind. Schöne neue, moderne Welt.
    Leidlich außer Atem, sprang ich in die Kabine, bevor sich die Türen mit einem bösartigen Pfeifen hinter mir schlossen. Ich ließ mich in die abgewetzten Polster fallen und entdeckte unter den cirka hundertfünfzig Mitreisenden meinen Arbeitskollegen Ghato Pinky. Er saß nur ein paar Reihen vor mir. Und während der Sicherheitsgurt automatisch einschnappte und die Kabine beschleunigte, betrachtete er gelangweilt seine hellgrünen Fingernägel. Pinky war ein Snob. Und zu meinem großen Leidwesen war ausgerechnet seine Frau Alphas beste Freundin.
    Das brachte mich wieder in die Realität zurück: Tante Marilyn! Ich hörte die alte Schachtel schon sagen: »Trumännchen, was hast du denn so Wichtiges zu tun, dass du deiner armen alten Tante nicht Disneyland zeigen kannst?«
    Jawohl, Sie haben richtig gehört, »Trumännchen«, so nennt sie mich. Glücklicherweise leide ich nicht an einem Minderwertigkeitskomplex, sonst hätte der Betriebspsychpfarrer sicher schon längst ein Schneewitchensyndrom bei mir auszukurieren gehabt. Naja, natürlich gibt es den Begriff nicht, aber Sie wissen vermutlich, was ich meine. Und falls Sie noch nie von einem Psychpfarrer gehört haben, er ist genau das, was sein Name verspricht. Und einmal im Monat müssen sich alle Mitarbeiter der Xphi Harco, im übertragenen Sinn, an seiner Schulter ausweinen. Alles zum Wohle der Firma und für ein produktives Arbeitsklima. Bla-bla-bla.

    Während der Expresszug seinem Ziel entgegenzischte, ließ ich meine Gedanken entspannt spazierengehen. Unweigerlich landete ich an dem Punkt, als ich am Frühstückstisch saß und große Töne spuckte. Im Stillen lobte ich mich für meinen Einfallsreichtum - geradezu genial war meine Ausrede gewesen. Allerdings bekam meine Euphorie einen massiven Dämpfer, als ich an die Realisierung meines ultra-ultra-geheimen Projektes dachte. Präzise gesagt, stellte es mich vor schier unüberwindliche Probleme. Denn wenn ich nicht in der Lage wäre, etwas unheimlich bedeutsam Aussehendes vorzuweisen, hieße es am Wochenende unweigerlich: »Trumännchen« geht mit Tantchen ins Disneyland.
    Während ich mir noch das Hirn zermarterte, donnerten zur Freude meiner eh schon angespannten Nerven die allerneuesten Werbespots auf selbige ein. Wie in jeder Expresskabine, so gab es auch in dieser einen 3-D-Schirm, der sich über die gesamte Decke erstreckte. Konsumbewusste Bürger verließen die Bahn regelmäßig mit einem steifen Hals.
    Doch plötzlich horchte ich auf: »Verblüffen Sie ihre Familie, Freunde und Arbeitskollegen! Nie mehr verstopfte Müllschlucker, mit der neuesten Erfindung der OXY Company, der wunderbaren OX 82b Entstofflichungsmaschine!!!«
    Die Worte kamen aus dem Mund eines überaus geschniegelt aussehenden jungen Mannes, der einen flotten Einteiler in frischem Butterblumengelb trug, auf dessen linker Brusttasche der Schriftzug Oxy Inc. prangte. Ob dieses dynamische Verkaufsgenie jemals einen verstopften Müllschlucker gesehen hatte? Es darf bezweifelt werden. Er verschwand – war er entstofflicht worden? –, und ein seltsames, zylinderförmiges Gebilde mit gewichtig aussehenden Reglern und eifrig blinkenden Lichtern wurde ins Bild geschoben. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie mein Sitznachbar instinktiv den Kopf einzog. Während sich das Wunderwerk im plastischen 3D präsentierte, verkündete dieselbe enthusiastische Stimme: »Und als großer Clou für die Heimwerker unter Ihnen: Sie können die wunderbare OX 82b Entstofflichungsmaschine auch als Superbastelsatz bestellen!!!«
    Zum krönenden Abschluss erschien noch eine attraktive junge Dame, an deren wohlgerundete Brust sich das Oxy Inc-Logo spektakulär anschmiegte, und hauchte: »Die wunderbare OX 82b Entstofflichungsmaschine, natürlich ein Erzeugnis der OXY Company«.
    Donnerwetter, das war ja mal wieder ein Ding! Auch wenn nicht immer alles so funktionierte, wie es gedacht war, lebten wir wirklich in einem aufregenden Jahrzehnt. Fast jeden