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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Autoren: Jeannine Meighörner
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Tuschka mich wie warmer Teig umfloss.
    Wer hätte vermutet, dass ich, dieses Hätschelkind des Luxus, an eine ärmliche Fischerin dachte? Die Chance, meine Mutter je wieder zu sehen, verringerten sich mit jeder Umdrehung der Kutschenräder.
    Ferdinands Miene hellte sich erst auf, als er in Pilsen Nachricht erhielt, der böhmische Landtag und die schlesischen Stände hätten ihm ein Abschiedsgeschenk von vierzigtausend Talern bewilligt. Sofort ließ er anhalten, um das Dreikönigsfest zu feiern.
    „Man bringe meinen Stumpen“, rief er ungeduldig hinter sich.
    Sogleich zog mich eine Leibwache aus einem Dekolletee hervor. Verschlafen fand ich mich dann im Pilsner Rathaus wieder, um beweisen zu müssen, dass ich aufrecht unter der eilig gedeckten Festtafel hindurchmarschieren konnte. Dass ich der Kleinste aller Kleinen sei. Was war lustiger: der erhobenen Hauptes wie ein Pfau unter der Tafel einherschreitende Winzling oder die kopfüber glotzende Stadtprominenz mit hochroten Köpfen, labbrigen Lefzen und herauskullernden Brüsten?
    Unterm Tisch ist auch daheim, sagt der Zwerg.
    Dann wurde ich wie Tischschmuck auf die Tafel gestellt, um zwischen Bierhumpen und Brottellern voller Fleisch und abgenagter Knochen hindurchzutänzeln.
    Von Pilsen ging es über Fürth, Straubing, Landshut und Rosenheim. Berge wurden durch die Eisblumen der Kutschenscheiben noch nicht gesichtet. Nur ein flaches Nichts, von großen Schneeflocken hypnotisiert.
    „Die Riesen“, schrie Rosenberg und sprang so unvermutet auf, dass seine Stirn am Kutschenhimmel anstieß und er, nach einem Moment des Taumelns, auf seine Gattin plumpste. Nur gut, dass die heimwehkranke Tochter mich so rigoros eingefordert hatte.
    „Bist du toll, Mann?“, kreischte die Rosenbergin und strampelte so heftig, dass einer ihrer silbernen Pantoffeln als Geschoß durch ein Kutschenfenster krachte und das ganze Gefährt ins Schlingern geriet.
    Sofort hieß Rosenberg anhalten. Da der Erzherzog aber Trab befohlen hatte, dauerte es, bis der ganze Kutschentross zum Stehen kam. Der Pantoffel blieb unauffindbar. Trieb vermutlich in dem kiesigen Flussbett unweit der Handelsstraße.
    „Das ist der Tiroler Inn. Und was ein Tiroler sich greift, gehört ihm“, meinte der Kutscher spöttisch und hielt die Pferde ruhig.
    „Ich hatte eben einen bösen Alptraum“, stöhnte Rosenberg. „Eine Lawine zerbrach die Kutsche. Bevor kaltes Pulver in meine Kleider und alle Körperöffnungen eindrang, sah ich, dass zwei Riesen sie lostraten. Giganten, groß wie der weiße Turm des Hradschin. Nachdem alle, auch die Pferde, zu Tode gekommen waren, sammelten sie ein, was ihnen nützlich erschien.“
    Nach nasalen Entschuldigungen fuhr er fort:
    „Bei einem Besuch in Tirol in Vertretung des Erzherzogs hörte ich einst Erstaunliches. Bei Innsbruck, deiner neuen Heimat“, sprach er in meine Richtung, „erschlug ein Riese namens Haymon vor vielen Jahren einen Drachen. Dort, wo heute das Stift Wilten steht. Das Untier hatte Köhlern und Holzflößern, die in der Sillschlucht hausten, Vieh geraubt. Sogar ein Hütebub war abgängig.
    Haymon hat den Tatzlwurm geköpft, als dieser nach Beute Ausschau hielt. Ihm die Zunge herausgeschnitten. Diese hütet das Stift Wilten heute wie einen Drachenschatz.
    Haymon war aber noch rauflustig gewesen. Auf der windumtosten Höhe von Seefeld hauste ein zweiter Riese. Thyrsus hatte schon seit Urzeiten dort wie ein König geherrscht und duldete keinen Neuankömmling in Riesengestalt.
    Die Riesen trafen auf einer Bergwiese bei Zirl aufeinander. Bewarfen sich mit Geröll und verprügelten sich mit ausgerissenen Zirben, so lange bis des Thyrsus Blut die Blumen ertränkte und er verstarb.“
    „Widerlich“, schimpfte die Rosenbergin und zog die Lammfelldecke bis zu ihrer Nasenspitze.
    „Der Ort wird heute noch Thürsenbach genannt“, fuhr ihr Mann fort, der sich als Überbringer von Grausamkeiten sichtlich gefiel. „Und die roten Steine, die man darin findet und die sich zu einem Heilöl zerreiben lassen, nennen die Tiroler Thürsenblut.
    Doch Haymon grämte sich und hat mit seinen Totschlagpranken Kloster Wilten erbaut. Zur Buße. Genau an der Stelle, wo er den Drachen erschlug. Neben dem Altar liegt er begraben.“
    Rosenbergs Gräuelgeschichte wurde durch einen Nasentropfen in ihrer Wirkung geschmälert. Gelblich-zäh hatte er das Drachen-Riesen-Gemetzel überstanden und spritzte ihm erst aufs Revers, als vor der Kutsche die Hölle losbrach.
    Wir hatten Kufstein
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