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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Autoren: Jeannine Meighörner
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von Tirol bestimmte. Einem Land, das er zuletzt als Knabe gesehen hatte. Zunächst voller Vorfreude, war es jetzt mehr als das Ungemach einer Winterreise, das seine Stimmung trübte.
    Unsere Abreise hatte sich mehrfach verzögert. Zunächst war der schwarze Tod nach Innsbruck und die Vorlande gezogen. Bis zum Bodensee und bis nach Ravensburg würde gestorben, hatten Kundschafter gewarnt.
    Dann war mein Herr zur Unterstützung seines Kaiserbruders nach Osten geeilt. Suleiman hatte sich Ungarn einverleiben wollen. Noch ein Versuch. War schon vor Szigetvár gestanden. Dreißig Meter Turbanstoff und fast zwei Menschenleben im Sattel hatten ihn noch nicht ermüdet. Sollte es sich auszahlen, dass ein Muselman nur Kamelmilch und Aufgüsse aus schwarzen, harten Bohnen soff?
    Doch der Gott des Evangeliums war seinen Schäflein hold. Hatte den altersschlauen Fuchs nicht im Kampf, nein, im Schlaf dahingerafft. Siebzig Lebensjahre als Christengeisel erschienen ihm wohl genug.
    Suleimans Heerführer hatten den Tod ihres mächtigen Sultans zunächst verheimlicht. Seine weiße Kopfzier einem alten Janitscharen aufgepfropft. Gleich beim ersten Gemetzel war die Sultanszier jedoch wie ein Kürbis in den Dreck gekullert. Als der Schwindel aufgeflogen war, waren die Osmanen wie ein Heuschreckenschwarm in der Weite der Puszta verschwunden.
    Und dennoch war Ferdinands Kaiserbruder immer noch verstimmt. Mein Herr hatte, durch ein Fieber geschwächt, mit seinen Truppen vorzeitig abziehen müssen, die dennoch bezahlt werden wollten. Tief verschuldet würde er Böhmen verlassen. Pleite, ohne dem alten Suleiman je nahegekommen zu sein.
    Verwunderung hatte auch die Tiroler Ritterschaft gesät, als ihr zukünftiger Landesherr um Waffenhilfe angefragt hatte:
    Man sei alt oder krank, das Streitross sei alt oder krank, die Frau, der Vater, die Mutter lägen im Sterben, Muren oder Steinschlag hätten den Auszug aus dem Tal unmöglich gemacht, man sei so arm, dass es jeden Osmanen reue bei dem Anblick, man hätte den Arm der heiligen Barbara verlegt, ohne deren Schutz man unmöglich kämpfen könne, man wallfahre für den Sieg.
    „Einäugige Idioten“, hatte mein Herr bei jeder Absage geschrien. „Nur ihre Berge sehen sie.“ Hatte das Landlibell des Kaiserurgroßvaters die Tiroler blind für die Feinde des Reiches gemacht? Gut, es besagte, dass Landeskinder nur innerhalb Tirols Waffendienst zu leisten hätten. Doch zu was wäre der Mumien-Arm der heiligen Barbara in einem muselmanischen Abendland nütze? Als Flohkratzer bestenfalls.
    Als wir nach Tirol aufbrachen, saß ich als Parasit in einem Pelz. Wilhelm von Rosenberg, einer der ersten Männer des Königreiches Böhmen, hatte seine verkühlte Lunge nicht dem Jännerwind aussetzen wollen. In seiner Kutsche fand ich prächtige Wirtstiere:
    Seine porzellanweiße Tochter Eva, seine noch schöne Gattin und deren Hofdame, die dralle, glutäugige Tuschka. Eine große Lammfelldecke bedeckte uns wie die Wurst das Brot. Die Damen waren erfreut, einen Lustzwerg für das lange Geschaukel bei sich zu wissen. Zumal der alte Rosenberg für gesegneten Schlaf bekannt war.
    An warmes Brustfleisch angeschmiegt – ob weiß, ob karamell, ob reif, aber kaum abgeliebt – bemerkte ich kaum, als sich das West-Tor des Hradschin wie die Paradiespforte hinter uns schloss. Wie sollte ein so behaglich eingeklemmter Narr ahnen, dass eine Rückkehr ihm kostbarer erscheinen würde als Gold?
    Einige der ersten Familien des Landes wie die Lobkowitz, Sternberg, von Dohna oder Kolowrat wollten ihren scheidenden Fürsten bis nach Innsbruck begleiten. „Um die Käsmacher mit böhmischem Glanz zu erhellen“, wie Rosenberg murmelte. Dann wurde sein Schnarchatem unsere Reisemelodie.
    Einzig die hochwohlgeborene Porzellantochter schniefte bis nach Budweis, um mich dann, recht grob, von Tuschka abzuschälen und wie ein Äffchen auf ihren Schoß auszurichten.
    Ferdinand ritt. Natürlich. Seine Miene versteinert, sein Atem weiß vorm Gesicht. Eine wortlose Anklage. Der rote Bart von blitzenden Eiskristallen durchsetzt.
    Seinen Thomele schien er nicht zu vermissen.
    Als wir das Prager Becken verließen, die prächtigste Schmuckschatulle der Welt, wie mein Herr sie nannte, wurden mir doch die Augen feucht.
    „Unser Stumpen zerfließt wie die Moldau“, sagte Tuschka und zog mich an ihr Busengässlein. Es roch nach unschuldigen Lämmern und Rosenwasser.
    „Gute Nacht Welt, es geht ins Tirol“, mehr brachte ich nicht mehr heraus, da
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