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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Autoren: Jeannine Meighörner
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Netze und Reusen, an denen sie ihre Finger zerstochen hatte. Ich folgte ihrem Geruch in mir. Nach Fischlaich mit einem Hauch von Maiglöckchen. Eine Mutter, die man vermisst, riecht immer gut. Gut dreißig Jahre hatte ich ihren Duft nicht mehr gerochen.
    An einer Tränke im waldigen Nirgendwo wollte dieser Prügelschäfer dann mein Leben rabiat verkürzen. Kurz scheint es allemal. Kaum im vierzigsten Jahr gleicht meine Fassade der eines Greises.
    Doch nicht nur den seltsamen Puppengreis wollte er vernichten, auch unsere Pferde und prallen Satteltaschen hatten es ihm angetan. Jost führte Gustls Schecken als Handpferd mit, da mein kurzer Weißer nicht so viel tragen kann. Aus dem Gebüsch sprangen zwei Handvoll Wegelagerer wie Flöhe aus einem struppigen Hund. Gerade hatte ich den Prügelschäfer gelocht, als Jost ein Stock an der Schläfe traf und er vor meine Stiefel plumpste.
    Man verschnürte einen Zwerg und einen halbtoten Mann mit Kälberstricken. „Stirbt unser Bruder, stirbt die Missgeburt und ihr Begleiter“, schrie das Gesindel. Einige mit dem scheelen Blick der Inzüchtler, die Vorlieben ihres Tales verratend. Mit Jost, dereinst Pastetenbäcker Philippines, wäre manches Welser’sche Küchengeheimnis verloren gegangen. Wer weiß heute noch, wie man einen Zwerg einbäckt, ohne dass er im Teig krepiert? Und wer weiß, wie man einen Erzherzog oder einen Erzhalunken am Leben erhält, wenn nicht ich?
    So gab ich Anweisung, auf dass der Teufel den Prügelschäfer verschone:
    „Nehmt Garn, näht das Löchlein zu und legt ihm ein Kraut auf, das indischer Hanf heißt. Gebt dem Bursch die getrockneten Blätter des Krautes in warmem Wasser zu trinken, so hat er süße Träume und spürt den Wundschmerz nicht. Zur Kräftigung gebt ihm acht Pfefferkörner zu kauen. Es muss aber weißer Pfeffer sein. Bekommt er hitziges Fieber, legt neunerlei Eisen in sein Lager. Es zieht die Hitze heraus.“
    Kaum erhob ich das Wort, stob das Lumpenpack zurück wie Ungeziefer vor dem Schein einer Kerze. „Eine Stimme wie ein Engel, ein Verstand wie ein Satan“, so hatte mein Herr früher das Erstarren seiner Gäste kommentiert, die der Klang meiner Worte erschrocken hatte. Mein medizinischer Rat würde einmal mehr vor dem Wunder meiner Erscheinung verpuffen.
    Nach Blicken, wie wenn man einer Kuh einen Knüppel auf den Schädel haut, schrie einer: „Der quiekt wie ein Ferkel.“
    „Nein, er gurrt wie eine Jungfrau“, rief ein Zweiter.
    „Dieses Ding steht mit dem Teufel im Bund“, zischte ein Dritter unter einem mit Zobelpelz verbrämten Barett hervor. Sein Vorbesitzer, zweifellos ein Patrizier, hatte ihm dieses sicher nur ungern überlassen. Nach Kopfzier und Lautstärke der Anführer: „Der Gottesaff hat meinen Sohn abgestochen wie eine Sau. Der Himmel will, dass wir ihn richten!“
    „Wollt ihr Diebe mir mit dem Herrgott kommen?“, brach es aus mir heraus.
    „Wir sind keine Diebe, nur Hirten und Pfenniggeiger. Doch wem zum Tanz aufspielen in Zeiten wie diesen? Jeder Groschen rollt nach Rom, damit die neue Peterskirche wächst und der Ablass den Segen bringt. Und bei den Lutherischen gibt es gar nichts zu fiedeln. Nun hat der Teufel dich ausgeschissen, um uns zu vernichten“, raunzte Zobelbarett.
    Bevor ich erneut protestieren konnte, stopfte er mir einen stinkenden Fetzen so tief in den Schlund, dass ich beinah erstickte, und warf mich in einen Viehkoben.
    Im Halbdunkeln kauerte eine Gestalt inmitten von faulem Stroh und Kot. Sie angelte den Fetzen aus meinem Rachen und gab mir aus einem Wasserkrug zu trinken. Mein Atemretter stellte sich als Arbogast vor. Fürstbischof Eberhard von Dienheim hätte ihn aus Speyer vertreiben lassen. So hätte er sich vom Rhein zur Moldau aufgemacht, um im glaubensfreien Prag Geschäfte zu machen. Bis die Diebe ihm Pferd und Habe entrissen hätten.
    Derweil beratschlagten die Inzüchtler mein Schicksal. Lauthals. „Hängen sollten wir ihn nicht, der fiept und zappelt wie eine grässliche Fledermaus“, sagte einer. „Geköpft zu werden verdient er nicht, das ist der Tod eines Edelmannes“, bläffte es. „Ein Scheiterhaufen käme teuer, schade um das Holz, noch ist der Winter nicht gebrochen“, gab einer zu bedenken. „Vierteilen! Rösser haben wir jetzt genug“, schrie einer. Ein Geistesblitz, der sich allen sofort erschloss, denn schon drängte das Unheil in den winzigen Koben.
    Zobelbarett griff sich das Seilende und trug mich daran hinaus. Einarmig. Nicht die geringste
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