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Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)

Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)

Titel: Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
Autoren: Cairiel Ari
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waren jedoch die Flügel, die jedem von ihnen aus den Rücken ragten. Sie hatten dieselbe Farbe wie das Haupthaar eines jeden von ihnen, zweimal braun und einmal blond. Alle drei trugen schlichte Holzstäbe in den Händen, die sie noch um eine Haupteslänge überragten.
    Wut loderte in ihr auf, wurde aber gleich darauf von grenzenloser Verzweiflung und Hilflosigkeit getilgt. Sie erhob sich schwankend und unter höchster Anstrengung. Ihre zitternden Knie drohten nachzugeben. Ohne die Geflügelten eines Blickes zu würdigen, wandte sie sich um und wankte in den Wald.
    »Was für ein Schwächling. Habt ihr seine Flügel gesehen? Doppelt so alt wie wir und kaum so groß wie die eines Kindes! Der könnte sich nicht einmal gegen einen Hundwurm wehren, würde einer sein knochiges Gestell anknabbern wollen …«, hörte sie einen der drei hinter sich sagen, dann brach sie vor Erschöpfung zusammen.
    Als sich Serrashil das nächste Mal in einem Körper wiederfand, fühlte sie sich weitaus stärker. Das verschwommene Bild um sie herum gewann an Klarheit und sie sah einen weiteren Geflügelten vor sich stehen. Er trug ein aufwändig gearbeitetes Gewand aus blauen Stoffen, das fremdartig auf sie wirkte. Hellblonde Schwingen ragten aus seinem Rücken, sie waren weit größer als die der anderen drei zuvor. Der Raum, in dem sie sich befanden – den vielen, hohen Regalen und dem Geruch nach alten Ledereinbänden nach zu schließen eine Bibliothek – war mehr als groß genug, damit sie darin Platz fanden.
    Serrashil spürte ihr Herz in ihrer Brust rasen, Besorgnis krampfte sich um ihre Eingeweide.
    »Ich weiß nicht, wo Eshizu ist«, erklärte der Geflügelte mit ausdruckslosem Gesicht. »Während der Trauerfeierlichkeiten ist sie davongeflogen.«
    Ein Knoten schnürte sich um ihren Hals und drohte ihr, die Luft zu nehmen. Sie taumelte zurück. »Richtung?«, würgte sie krächzend hervor. Eine düstere Vorahnung, mit der sie nichts anfangen konnte, machte sich in ihr breit. Der Name Eshizu sagte Serrashil nichts, aber der Körper, in dem sie sich befand, schien damit mehr anfangen zu können. Sie beschränkte sich darauf, die Szenerie zu beobachten, denn recht viel mehr konnte sie sowieso nicht tun.
    »Nach Westen«, antwortete der Geflügelte und Serrashils Körper wirbelte herum, auf eine gigantische Flügeltür zu. Sie war groß genug, um den Geflügelten samt seiner ausgebreiteten Schwingen hindurchlassen zu können.
    Das wird sie nicht tun , dachte ihr Körper. Sie darf es nicht tun. Was habe ich zu ihr gesagt? Es stimmt nicht, es war nicht ihre Schuld.
    Das letzte, was Serrashil spürte, war eine heiße Träne, die ihr über die Wange lief.
    Ich habe sie in den Tod getrieben …
    Serrashil fand sie sich am Rande einer Klippe wider. Ihre Fußspitzen ragten über den Abgrund, dessen Boden von düsteren Nebelschlieren verdeckt wurde. Der Erdboden war felsig und unbewachsen. Kälte fraß sich durch ihr weißes Gewand, das ebenso fremdartig erschien wie das des Geflügelten zuvor. Doch sie kümmerte sich nicht darum, sondern starrte weiter in den Abgrund, als erhoffte sie, zwischen dem dunklen Nebel etwas zu erkennen.
    Ich bin ein Gott , schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Was tue ich hier überhaupt?
    Ruckartig riss sie sich von der Schlucht los und ging ein paar Schritte in das triste, graue Felsland hinein.
    Nein, diesen Gefallen werde ich ihm nicht tun. Das ist es doch, was du von mir wollest, oder, Vater? Sie sah auf und suchte mit den Augen den wolkenverhangenen Himmel ab, fand aber nichts. Dass ich Gefühle entwickle … Freude, Trauer, Liebe, Hass … Sie schüttelte den Kopf.
    Ich bin ein Gott. Ich sollte mich nicht auf diese niederen Wesen einlassen. Auf keines von ihnen. Dieser Fehler wird mir nicht noch einmal …
    Eine Kraft schloss sich wie eine Faust um Serrashils Geist und riss sie aus dem Körper. Ein Aufschrei gellte durch ihr Bewusstsein und sie war sich nicht sicher, ob von ihr oder etwas anderem. Sie wurde fortgeschleudert, weg aus der Felsenlandschaft und zurück ins Nichts.
    Verzeih mir, wenn ich deine kleine Exkursion störe, aber ich habe es nicht so gerne, wenn man in meinen Erinnerungen wühlt , drang eine Stimme in Serrashils Geist, die ihr nicht bekannt war. Sie klang nicht so wie die Gedankenstimme Serans, aber Serrashil bildete sich ein, durchaus eine Ähnlichkeit herauszuhören.
    Wer oder was bist du? , dachte sie und hoffte, dass es Gehör fand. Und wo bei Makraza bin ich?
    Wut umfloss
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