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Die Wiederkehr des gefallenen Engels

Die Wiederkehr des gefallenen Engels

Titel: Die Wiederkehr des gefallenen Engels
Autoren: Rainer Wekwerth
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»Kannst du mir zeigen, wen du meinst?« Er legte die flache Hand über die Augen. »Ich lerne gern neue Menschen kennen.«
    Sie knuffte ihn. »Hör auf zu glotzen, die Mädels sind schon weg«, log sie.
    »Komm wir fahren zusammen«, schlug Ben vor. Er fasste sie unter und zog sie mit sich.
    Wahrscheinlich sieht es jetzt so aus, als schiebt er einen Kartoffelsack ans andere Ufer.
    Aber sie wusste, dass es so nicht war. Automatisch übernahm sie seine Leichtigkeit und verschmolz mit ihm zu einer Einheit, ein Paar, das mühelos über das Eis glitt.

5.
    Der Tag war wie jeder andere, nur dass es endlich aufgehört hatte zu schneien. Ein freundlicher blauer Himmel leuchtete über Rottenbach und die Sonne sandte wärmende Strahlen zur Erde hinab.
    Lara ging gedankenverloren die Treppe vom Klassenzimmer zum Physiksaal hinab, als sie mit jemandem zusammenstieß. Die Bücher rutschten unter ihrem Arm heraus und polterten die Stufen hinunter.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich der Junge.
    Lara hob den Kopf an und blickte den Fremden an. Sie spürte, wie ihr Gesicht zu glühen begann. Wut kochte in ihr auf, aber sie drängte die Gefühle zurück.
    »Ist schon gut«, brummte sie und sprang die Stufen hinunter, um ihre Bücher wieder aufzuheben.
    Der Junge kam ihr nach und bückte sich. Als er nach einem Buch greifen wollte, meinte Lara: »Lass nur. Ich mache das allein.«
    »Entschuldigung«, sagte der Junge und erhob sich. Lara, die ihren Bücherstapel wieder unter dem Arm verstaut hatte, stand ebenfalls auf.
    Zum ersten Mal nahm sie sich die Zeit, den fremden Jungen genauer zu betrachten. Er war etwas größer als sie, schlank, soweit sie seine Figur unter dem langen schwarzen Ledermantel beurteilen konnte. Dazu trug er Jeans und schwarze Stiefel. Nicht ungewöhnlich, aber auch nicht gerade »in«. Schwarzes Haar, das ihm bis über die Schulter fiel. Das Gesicht schmal und die hohen Wangenknochen verliehen ihm etwas Raubtierhaftes. Eine leicht gebogene Nase und ein Mund, der ständig zu lächeln schien. Laras Blick blieb an seinen Augen hängen. Grau wie ein Wintersee. Sterne schienen darin zu tanzen, aber es waren wahrscheinlich nur Reflektionen des von draußen eindringenden Sonnenlichts.
    Er hat ein wunderschönes Gesicht, dachte Lara und ärgerte sich im selben Augenblick über sich selbst. Warum machte sie sich Gedanken über sein Aussehen?
    »Suchst du was?«, fragte sie
    »Ja, könntest du mir vielleicht sagen, wo ich das Sekretariat finde?«
    »Ja, klar. Kommst du etwa an diese Schule? Mitten im Schuljahr?«
    »Sieht so aus.«
    »Wie heißt du denn überhaupt?«
    »Damian. Und du?«
    »Lara.«
    Er streckte ihr die Hand entgegen, Lara drückte sie kurz und unverbindlich. »Du musst einfach nur die Treppe hoch, am Ende des Ganges auf der rechten Seite ist das Sekretariat.«
    »Danke«, sagte er freundlich. Er wandte sich ab und ging mit großen Schritten die Treppe hinauf. Über die Schulter rief er zurück: »Man sieht sich.«
    »Hoffentlich passt du dann besser auf«, konnte sich Lara nicht verkneifen.
     
    Als sich einige Stufen später Damian noch einmal nach Lara umwandte, war sie bereits gegangen. Ein Stich jagte durch sein Herz. Sie hatte ihn nicht erkannt. Nicht einmal ansatzweise war etwas in ihrem Blick zu erkennen gewesen. All die Liebe, die er für sie empfand, würde unerwidert bleiben, das spürte er und es tat weh. Mehr als er sich eingestehen wollte, aber er war hier, um sie zu beschützen. Das allein zählte.
    Obwohl sie ihn nicht mehr erkannte, war er dankbar dafür, in ihrer Nähe zu sein, auch wenn es ihn innerlich zerriss, sie nicht berühren zu können.
    Damian starrte auf die Stelle, an der sie gestanden hatte. Der zarte Hauch ihres Parfüms lag noch in der Luft.
    Er schloss die Augen und atmete tief ein.

6.
    »Hast du schon mit ihm gesprochen?«, fragte Jasmin ganz aufgeregt.
    »Mit wem?«, fragte Lara, obwohl sie ahnte, wer gemeint war.
    »Na, mit dem neuen Typen in deiner Klasse. Der da drüben. Er kommt auf uns zu.«
    »Du meinst Damian?«, fragte Lara unnötigerweise.
    »Heißt er so?« Dann wiederholte sie leise den Namen. Nur für sich selbst, wie es schien. So als wollte sie den Namen auf ihren Lippen schmecken. Ärger durchzuckte Lara. Was sollte dieses alberne Getue? Okay, der Typ sah echt gut aus, aber das war es auch schon.
    Ihre Klassenlehrerin hatte ihm die Schulbank direkt hinter ihr zugewiesen. Er saß dort allein, alle anderen hatten schon einen Sitznachbarn. In den ersten
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