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Die Wiederkehr des gefallenen Engels

Die Wiederkehr des gefallenen Engels

Titel: Die Wiederkehr des gefallenen Engels
Autoren: Rainer Wekwerth
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und dass er sie liebte und sie ihn einst auch geliebt hatte. Es war besser, sie erfuhr nichts über die Ereignisse in Berlin. Nichts darüber, dass ihr Vater, von dem sie glaubte, er habe ihre Familie kurz nach der Geburt verlassen, in Wirklichkeit Satan selbst war. Sie durfte auch nicht erfahren, welche Schuld ihr verstorbener Großvater auf sich geladen hatte, denn an dieser Schuld und allem anderen konnte sie zerbrechen.
    Ich liebe dich, dachte er sehnsüchtig.
    Damian sah auf seine Hand hinab. Kurz hatte er Laras Hand zur Begrüßung gehalten, es war ein atemberaubendes Gefühl gewesen, aber nun zitterte diese Hand. Er bewegte vorsichtig seine Finger, die sich krampfhaft öffneten und schlossen. Der Verfall hatte begonnen. Kein Engel konnte sich für lange Zeit in dieser Welt aufhalten, das konnten nur Menschen und Dämonen. Die dunklen Engel und die Engel des Himmels litten mit jedem Tag in der Welt der Menschen Schmerzen und Beeinträchtigungen. Es war nicht ihre Welt und ER hatte dafür gesorgt, dass sie nicht bleiben konnten. Kehrten sie nicht rechtzeitig in den Himmel oder die Hölle zurück, starben sie qualvoll. Ihre Existenz verging. Verflog im Nichts.
    Wohin soll ich zurückkehren, wenn die Schmerzen überwältigend werden? Wenn das Leid mir den Verstand raubt?
    Es gab keinen Ort, an den er gehen konnte. Die Hölle sah in ihm einen Verräter und würde ihn vernichten. Der Himmel blieb ihm verwehrt, nachdem er gegen Michaels ausdrücklichen Wunsch hierher zurückgekehrt war. Er hatte sich für ein irdisches Dasein entschieden, was schon in naher Zeit beendet sein würde.
    Die Schmerzen beginnen schon. Wie viel Zeit bleibt mir? Werde ich sterben, bevor ich meine Aufgabe erfüllen kann?
    Damian knurrte dumpf auf. Er schüttelte den Kopf, so als erwache er aus einem Traum.
    Ich werde kämpfen. Um jeden Atemzug. Alles, was zählt, ist, dass ich bei ihr bin, wenn sie mich braucht.
    Als er aufblickte, sah er den Jungen, mit dem Lara gesprochen hatte. Lara musste inzwischen unbemerkt an ihm vorbeigegangen sein. Lächelnd blickte er zu ihm herüber. Ein merkwürdiger Ausdruck lag auf dem markanten Gesicht.
    Warum sieht er mich so an?, fragte sich Damian.
    Doch dann bemerkte er, dass der andere ihm nicht ins Gesicht sah, sondern auf seine Hand starrte, die wie eine Klaue aus dem Ärmel ragte.
    Damian zuckte zusammen. Das Lächeln des Jungen wurde noch breiter, dann ging er durch die große Glastür.

8.
    Sie spürte seinen Blick in ihrem Rücken. Ihr Nacken kribbelte unter diesem Blick. Damian.
    Der Unterricht hatte begonnen, aber Lara konnte sich nicht darauf konzentrieren, was ihr Physiklehrer an der Tafel erklärte. Herr Seher hatte eine Versuchsanordnung aufgebaut, in der es um magnetische Felder ging, und kritzelte nun die physikalische Formel an die Tafel. Wie stets war seine krakelige Schrift kaum zu entziffern, also machte sich Lara gar nicht erst die Mühe mitzuschreiben, sie würde später im Buch nachschlagen oder auf Wikipedia nachsehen.
    Ich habe Kopfschmerzen, dachte sie. Warum habe ich so oft Kopfschmerzen? Und warum bin ich ständig gereizt? Was ist bloß los mit mir?
    Seit sie aus Berlin zurückgekehrt war, hatte sie diese Kopfschmerzen, und sie wurde häufig aus nichtigen Gründen wütend.
    Die Schmerzen wurden stärker. Vor ihren Augen begann es zu flimmern. Nur noch undeutlich nahm sie Herrn Seher und ihre Mitschüler wahr.
    Was? Was …?
    Schwindel erfasste sie. Etwas Warmes floss aus ihrer Nase über die Lippen. Sie tastete mit den Fingern danach. Als sie die Hand vor die Augen hielt, erschrak sie.
    Blut? Ist das Blut? Mein Blut …
    Bleierne Schwärze legte sich über sie. Die Schmerzen verschwanden. Dankbar ließ sich Lara in die Dunkelheit fallen.
    Sie spürte nicht mehr, wie sie hart mit dem Kopf auf die Tischplatte aufschlug.
     
    Lara blickte sich um und verstand nicht. Sie war in einer anderen Welt. So weit ihr Blick reichte, herrschte graue, steinerne Ödnis, nur unterbrochen von glühenden Strömen, die sich ihren Weg durch den Fels bahnten. Die Hitze war atemberaubend. Schweiß lief ihr über das Gesicht, die Wangen glühten. Sie bekam kaum Luft. Jeder Atemzug war ein feuriges Messer, das sich in ihre Lunge bohrte.
    Wo bin ich?
    Ist das ein Traum?
    Es fühlte sich so real an. Ein heißer Wind strich ihr über die Stirn, schien die Haut in Fetzen reißen zu wollen.
    Plötzlich ein Ton. Wie von einem Tier unter großen Qualen ausgestoßen. Der Klang eines einsamen Horns folgte.
    Lara
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