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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj
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an hatte er Deutsch, daneben noch andere Sprachen gelernt – und erwarb als Maschinenbauer im Frühsommer 1902, also mit 24 Jahren, den Grad eines Ingenieurs.
    Von da ab war Donald im Wiener Werk tätig, welches er schon aus mancher Ferienpraxis gut kannte.
    Von da ab gewannen auch Vater und Sohn Clayton, die sich immer ähnlicher sahen je älter sie wurden, den Charakter einer festen Prägung, wie die beiden Seiten einer Münze. Donald ergraute schon gegen sein dreißigstes Jahr an den Schläfen, während sein Vater noch hoch in den Fünfzig ein unverfärbtes und ungefärbtes Haar am Haupte trug. In England nannte man sie bereits ,Clayton bros.‘, was so viel bedeutet wie die Brüder Clayton. Der einzige sehr starke, ja scharfe Unterschied zwischen Vater und Sohn war kein in’s Auge springender. Donald hatte von seiner Mutter den gerade abfallenden Hinterkopf geerbt (welchen man unter der zeitmodischen Frisur bei ihr kaum sah). Roberts Schädel war rückwärts stark ausgewölbt.
    Harriet blieb schlank, aber alterte früh. Sie ritt von Anfang an täglich in den Prater, die Hauptallee entlang und auch an jener Stelle vorbei, wo sie im Spätsommer 1877 mit ihrem Mann zwischen die alten Bäume und an den Weiher oder Tümpel getreten war, dort, wo die Stechmücken den Aufenthalt bald unerträglich gemacht hatten. Aber sie hielt ihr Pferd niemals an bei dieser Stelle. Der Fuchs war in England geblieben.
    Clayton bros. pflegten zu Wien mitunter abwechselnd im Werk zu sein (besonders so lange der ganz Alte noch lebte und drüben alles führte) und so begegneten sie einem auch abwechselnd in der langen Straße, an welcher die Fabrik lag: der eine vormittags, der andere nachmittags, je nachdem, wie sich’s fügte. Morgens ging meist der Vater in’s Bureau, weil er dort gleich die Post sehen konnte, nachmittags der Sohn. Oft freilich waren auch beide da.
    Die deutliche Doppelprägung konnte morgens um viertel vor acht und mittags um ein viertel nach eins nicht übersehen werden von mehreren Gymnasiasten, welche zu den angegebenen Zeiten hier in die Geleise ihres täglichen Weges zur Schule fielen oder von dieser heimkehrten. Auch sie empfanden die ihnen ja nur vom Sehen her bekannten Gestalten als Brüder und benannten sie bald auch so. Jedoch das deutliche Gepräge mit festem Wert wirkte auf die vierzehnjährigen Schüler um 1910 herum bereits in weitgehender Weise verändernd, ja revolutionierend.
    Einer von ihnen, der Sohn eines hohen Beamten, namens Chlamtatsch, fing damit an. Die Brüder, welche von anderen Schülern schon ,die Engländer‘ genannt worden waren – so viel wußte man erstaunlicher Weise aus dem Augenschein ohne doch irgendetwas zu wissen! – wirkten aufrichtend und eröffneten den Blick auf nichts geringeres als eine neue Art zu leben, nämlich mit aufrechtem Gange, wenn man so sagen kann; denn bisher war dieser, im Zuge der verschiedentlichen Raufereien und Prügeleien am Schulwege, durchaus nicht immer herrschend gewesen: vom einen Tage auf den anderen wählte nun der junge Herr von Chlamtatsch einen anderen Weg zur Schule, der einigermaßen ein Umweg war. Dieser konnte freilich nur beschritten werden, wenn man morgens rechtzeitig aufstand und mittags ohne Verzug und Eckensteherei heimging, denn im Hause Chlamtatsch wurde pünktlich gegessen und Verspätungen bei so ernstem Anlasse duldete der Vater Chlamtatsch nicht. Zdenko von Chlamtatsch (so hieß unser Schüler) wollte aber seinen Umweg genießen, das heißt gemachsam dahingehen (wie er’s bei den Engländern gesehen hatte), und dazu gehörte nun freilich einiges: nicht nur Zeit, sondern auch eine nicht gar zu flüchtig gemachte Morgentoilette, ja, im weiteren Verlaufe dieser Bestrebungen, auch ein korrekt erledigtes Pensum der Schularbeiten, denn es ging jetzt einfach nicht mehr an, sich knapp vor Beginn der ersten Unterrichts-Stunde noch schnell was durchzulesen oder solches zu tun, während der Professor schon auf dem Katheder stand. Die Sachen wurden immer mehr und mehr in aller Ruhe am Abend abgeschlossen; der Schulweg morgens war so hastig nicht mehr und nicht so direkt; es war ja ein Umweg.
    Solche Wirkungen, welche durch eine, doch noch immer sehr distanzierte Berührung zweier Zeitalter auf den Schüler Chlamtatsch ausgeübt wurden, zogen bald weitere Kreise.
    Freilich, die Umwegigkeiten des jungen Herrn von Chlamtatsch waren derart angelegt, daß er dabei Clayton bros. zuletzt doch begegnen mußte, und das fast täglich. Weil er
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