Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj
Autoren:
Vom Netzwerk:
auf die rechte Art: er bekam den Krebs am vorderen Teil des Körpers zu fassen, den man das Kopfbruststück nennt. Clayton zog den Arm herauf. Der Schwanz des Tieres schlug kräftig gegen die Bauchseite, das gepanzerte Geschöpf bog sich ganz nach rückwärts durch, die weit geöffneten großen Scheren versuchten nach hinten zu greifen. Es war freilich vergebens. Clayton drehte sich auf die linke Seite und setzte den Krebs in’s Gras, der sogleich in sichtlicher Wut hoch auf seinen Beinen zu marschieren begann, die Scheren bedrohlich vor sich hinstreckend. Clayton lachte. „Ich hab’ ihn gekriegt!“ rief er Harriet zu, die näher herangekommen war.
    Sie lächelte und sah auf ihren Mann und dessen lebendige Beute nieder. In der Stille hörte man die Zirknitz kräftig rauschen, die unweit von hier über eine Stufe des Gesteins in den Teich einfloß. Clayton blieb liegen und setzte den Krebs, der sogleich die Richtung gegen das Wasser genommen hatte, wieder zurück. Nach einer Weile aber nahm er ihn neuerlich behutsam beim Kopfbruststück und brachte ihn so, mit dem Arm hinablangend, dicht an den Rand des Wassers, aus welchem eine kleine Steinplatte flach herausragte. Hierher gesetzt, zögerte das schalige und scheerige Ungetüm anscheinend ein wenig, stieg aber dann mit Bedacht in’s Wasser und verschwand gegen die Tiefe zu: Clayton, so lang er ihn sehen konnte, folgte seinem Weg, das Gesicht dicht über den Wasserspiegel haltend.
    „Hat mit mir Bekanntschaft gemacht“, sagte Clayton und deutete dem entschwundenen Krebs nach in den Teich.
    „Wird nicht eben erfreut gewesen sein“, meinte Harriet.
    Eine weitere naturkundliche Jagd auf Krebse fand nicht statt. Harriet wollte auch keine mehr essen; ihr sei der Appetit darauf vergangen, sagte sie, seit dem Anblick des braungrünen kriechenden Tiers im Grase; es habe wie eine große Spinne ausgesehen. Clayton stimmte ihr lebhaft und wie erfreut zu. „Ich will auch keine Krebse mehr essen“, sagte er.
    S ie aßen jetzt Fische, deren es im See viele gab und die man hier vortrefflich zu braten verstand.
    Sie blieben länger als vorgehabt und verschlampten dabei ein wenig hinsichtlich ihrer Toilettegewohnheiten. Es gab kein Badezimmer im kleinen Gasthof. Das tägliche Schwimmen – nicht in jenem Wasser, wo Clayton den Krebs gefangen hatte, sondern im See – wurde als sportliches Vergnügen betrieben, besonders von Harriet, die darin, wie auch im Tauchen, überaus tüchtig war, und nicht so sehr der Abkühlung wegen. Trotz des hochsommerlich blauen Himmels litt man hier nie unter der Hitze. In diesem kühlen Grunde schien alles vom Wasser und dem dichten Grün beherrscht. Mit Verwunderung gedachten sie des Aufenthaltes zu Wien, etwa so, als hätten sie in einem Dampfbad gelebt, und schon gar, als der zufällige Blick auf ein am Fenster befindliches Thermometer ihnen zeigte, daß die Temperatur hier um nichts niederer war als dort. Die Fülle des Laubes überall, die plätschernden Gerinne der Zirknitz, das Weg-Biegen eines Wiesenpfades aus der Sonne unter die mächtigen Kuppeln der Bäume, der Wasserstaub, darin ein einzeln durchs dichte Geäst dringender Sonnenstab lag, dies alles schlug blaue Schattenbuchten überall selbst in die Helligkeit des Mittags und überwog die herrschende Wärme.
    D as Zimmer hatte Grün. Links im Fenster war ein Baumwipfel teilweise sichtbar. Nach acht Tagen war es eigentlich schon ihrer beider eigenes Zimmer. So sehr hatte es sich verändert. Sie empfanden das, sagten aber nichts davon. Die Vorstellung, wie Harriet in der Wiese gestanden war (dahinter stand sie auch an jenem Tümpel im Wiener Prater) blieb für Clayton schmerzhaft. Er wußte auch schon, daß er sie eigentlich deshalb geheiratet hatte, dies vorausahnend und vorwegnehmend. Dann und wann war der Himmel bedeckt, das Licht lag wie grauer Staub in den Ecken des Fensters. Das Zimmer war geräumig, von dem matten Lichte bis an die rückwärtige Wand durchlegt. Es gab einen großen Tisch. Harriet war stets bereit, Briefe zu schreiben. Sie besaß alles dazu, auch ein verläßlich schließendes Reise-Tintenfaß. Es hatte, wenn geschlossen, die Gestalt einer Jokey-Mütze, es stellte eine solche vor, war auch dementsprechend gestreift. Clayton war nicht imstande, Briefe zu schreiben, aber Harriet vermochte das sogar abends nach dem Essen noch zu tun. Es machte Clayton einmal geradezu den Eindruck, als habe sie hier eine geordnete Kanzlei eröffnet. Sie schrieb rasch. In einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher