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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj
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D er Punkt, wo Robert Clayton – damals siebenundzwanzig – seine spätere Frau zum ersten Mal gesehen hatte, lag (und liegt heute noch) erhöht über der Landschaft. Die Straße wendet sich beim Erreichen des Hügelkimms nach rechts. Clayton hielt sein Pferd an und blickte in die Aussicht – wie man eben an solchen über die Umgebung erhobenen Punkten unwillkürlich tut – und schon auch kam sie von links, wo der Hügelrücken breiter wurde, im hopsenden Galopp auf ihrem leichten Fuchs über einen kleinen Wiesenplan heran.
    Es ist jene Gegend eine der lieblichsten im südwestlichen England. Man sieht von dem Hügelrücken, darauf Robert Clayton einst gehalten hatte, nur das absinkende Land bis zum dreimal gebogenen, fast stehend-spiegelnden Flußlauf im Tale, und drüben wieder einen langen gegliederten sanften Anstieg mit Wald auf der Höhe: diesem Umstande wird es verdankt, daß die großen Werke für landwirtschaftliche Maschinen, die Robert’s Vater garnicht weit von hier erbaut hatte, aus dem Bilde gehalten werden. Wäre der Wald drüben nicht, man sähe die Spitzen der Schlote. So bleibt alles im Grün und im Blinken des Wassers befangen.
    Ein dreiviertel Jahr später schon schickten sie sich zur Hochzeit und Hochzeitsreise an.
    Diese sollte ins Exotische führen und doch nicht zu weit weg: also keineswegs etwa nach Kanada, obwohl die Braut dort Verwandte hatte. Man verfiel auf den Süden der österreichisch-ungarischen Monarchie, auf Kroatien. Bis Ostende, Nürnberg, Passau und Linz war’s nicht exotisch. In Wien – hier bestand 1877 noch keine Niederlassung der Firma Clayton & Powers – traten sie rasch an das Fenster in ihrem Hotel im VIII. Bezirk, denn es ertönte auf der Straße unten ein seltsamer und lieblicher Gesang, den zwei junge Weiber vollführten, die mit kleinen Körben am Arm gemächlich die Gasse entlang gingen. Es waren kroatische Frauen aus dem Burgenlande, die getrockneten Lavendel zu verkaufen hatten: der Gesang kündigte das an.
    Dieses wurde immerhin von dem jungen Paare schon als exotisch empfunden, als irgendwie ,italienisch‘ (so sagten sie). Ihr Aufenthalt in Wien dauerte nicht lang und die übermäßige Hitze ließ ihn nicht ganz vergnüglich sein.
    Sie sahen das obere Belvedere hingestreckt und bis zu den kleinen Ecktürmen ausgeflügelt in der Sonne, aber der Blick griff nicht daran im übergrellen Licht. Auch waren sie vielleicht von ihrer eigenen Leiblichkeit zu sehr eingenommen auf dieser Hochzeitsreise und noch weit entfernt von jenem Erfüllungs-Rückstoß, der jene Eingenommenheit dann ganz unverständlich macht, wenn auch nur für ein Kurzes. Auf der Terrasse vor dem Palast aber wurden sie von der Aussicht – immer noch annähernd jene, die Canaletto einst gemalt hat – durch ein winziges Zeit-Teilchen doch lebhaft berührt. Das Paar fuhr auch im Fiaker durch die Haupt-Allee im Prater. Sie ließen halten und wollten im Grünen gehen, die Allee verlassen, zwischen die uralten Bäume treten. Aber hier machten es die Stechmücken unmöglich, geruhig zu wandeln. Sie sahen einen großen Tümpel oder Weiher mit flachen sandigen Ufern ausgebreitet, in welchem einige bloßfüßige Buben herumfischten – unbegreiflich blieb dabei, wie sie die Mückenplage ertrugen – und von Zeit zu Zeit ihre Beute in große Einsiedgläser brachten, welche halb mit Wasser gefüllt am Ufer standen.
    Clayton bückte sich und sah diese Gläser an. Es befanden sich Lurche darin, Molche, zum Teil halb durchsichtig, einer mit feuerrotem Bauch. Harriet, die neben ihm stand, bückte sich nicht, um die Tiere zu sehen. Clayton unterlag plötzlich einem hereinbrechenden Gefühl von Trübsäligkeit. Er fiel aus diesen letzten Tagen wie durch ein Loch im sonst dichtgeflochtenen Geweb’ der Zeit während der Monate vor der Hochzeit, er fiel hierher auf den sumpfig-sandigen Uferrand; und die halbvertrockneten, von der Hitze gelblichen Binsen standen in Reihen aufwärts in den lackblauen Himmel.
    Sie gingen zum Wagen zurück, der ganz langsam im Schritt weitergefahren war, und stiegen ein.
    Am nächsten Tage waren sie schon auf der weiteren Reise in’s Exotische; diese begann mit dicker Hitze im Halbcoupe erster Classe so lange der Zug noch in der Halle des Südbahnhofes stand. Das Gepäck war schon oben in den Netzen untergebracht worden. In der Wärme dunsteten Leder und Polsterung; feiner Rauchgeruch kam durch’s Fenster. Es schien Clayton, daß Harriet viel weniger die Hitze fühle als er
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