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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj
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waldig. Clayton beugte sich links ein klein wenig in den Wind, blickte über die Talsohle zu den Bergen, dann voraus, und sah, daß man in sanften Kurven an jenem Hange entlangfuhr. Nun erblickte er den vorderen Teil des Zuges. Die große schwere Maschine arbeitete heftig, die Luft schmeckte frisch, das war trotz des Rauches zu spüren, und der Lärm erzeugte jetzt kräftigen Widerhall. Im Fahrtwind sich zurückwendend entdeckte Clayton, daß am Schlusse des Zuges eine zweite große Lokomotive lief, die also schob, nicht zog. Ihr Rauchfang entließ eine donnernde Dampfsäule, deren Weiß von dunklen Kohlenschwaden getrübt war.
    Die Berge drüben wuchsen hoch an. Nun stand man wieder. Ein ländlicher Perron. Viele Personen verließen die Waggons; wie es Clayton schien, waren das Personen der höheren Stände, Herren und Damen, jene zum Teil mit nachlässig über die eine Achsel gehängten Rucksäcken, diese mit elegantem Gepäck; eben rollten unten auf einem Wägelchen mehrere gelbe Handkoffer und flache Necessaires vorbei. Einige der Herren und Damen schienen erwartet worden zu sein, es gab Begrüßungen, Händeschütteln, Gelächter; die Schirm-Mützen von Hoteldienern tauchten auf.
    Harriet sah nicht hinaus. Clayton stand am Fenster. Was ihn hier berührte, war heimatlich, aber warum nur? Es gab in England keine Bahnstationen mitten im Gebirge, vielleicht in Schottland, aber dort war er nie gewesen. Der Perron lag leer. Der Zug setzte sich wieder sanft in Bewegung. Clayton sah voraus und bemerkte, daß die Strecke nach links drehte. Kaum hatte er den Viadukt, dem man sich jetzt näherte, erblickt und als solchen erkannt, so verschwand schon das Terrain neben den Geleisen wie verschluckt: man fuhr bereits auf den mächtigen gemauerten Bogen in enormer Höhe dahin und über eine lang gestreckte Ortschaft, deren Straße unten durchlief.
    Vom Überfahren des Viaduktes an ließ sich Clayton nicht mehr auf seinen Platz neben Harriet nieder.
    Die Strecke wandte sich und bald immer wieder. Es war, als stiege man über eine gewundene Treppe zum Dach eines Gebäudes empor. Das kurze zischende Vorbeifliegen der Wand in gemauerten Einschnitten gab den Blick wieder frei für ein neues Bild, das jetzt in’s Treffen trat und sich in die Aussicht schob, die viele Male schwarz verschluckt und verschlossen wurde von den Tunnels. Clayton hatte die Empfindung, schon sehr hoch zu sein, aber es ging noch höher. Jetzt sah er drüben in weitem Bogen die Bahntrasse liegen, über welche man eben vorhin gefahren war. Die Abstürze neben der Strecke wurden steiler und tiefer und schließlich schwindelnd, als man durch eine Art offener Galerie fuhr. Ihre Pfeiler zischten vorbei. In der nächsten Kurve sah er, so rückwärts wie vorne, die Lokomotiven donnernde Dampfstrahlen emporwerfen.
    Es gab Stationen. Bei ihnen stiegen ähnliche Leute aus wie auf dem letzten Bahnhof vor dem Viadukt; und am Perron ging es ganz ebenso zu. Noch mehr Hoteldiener.
    Clayton war während der ganze Fahrt über den Semmering in ununterbrochener Bewegung; bald vom Gang einen steilen Abhang emporschauend, dann vom Coupefenster in die Tiefe blickend. Wieder fuhr man über einen hohen Viadukt. Clayton sprang auf den Gang hinaus, er wollte das eingerissene Waldtal aufwärts sehen. Nun war’s vorbei. Der Steilhang kam dicht an die Strecke. Er betrat wieder das Abteil, entschuldigte sich bei Harriet wegen des häufigen Aus – und Eingehens und schaute aus dem Fenster in eine hier aufgegangene vielfältige Ferne, darin die Sonne sich an einzelne Felszähne lehnte, die sanft aus den Wäldern leuchteten, Wälder fern und wie Moos. Harriet lächelte. Clayton empfand den Ausblick geradezu als ein Übermaß. Sie bemerkte freilich und dachte es deutlich, daß sein Interesse an dieser Bergbahn über das des Ingenieurs hinausging. Zudem, er war ja kein Eisenbahnbauer und kein Ingenieur in jenem gehobenen Sinne, der hier demonstriert wurde, sondern ein Spezialist für mechanische Technologie in der Maschinenfabrik seines Vaters, ein angehender Betriebsdirektor, der auf Verbesserungen sann. Immerhin Techniker; so mochte er auch hier manches verstehen, was sie garnicht sah. Diese Sachen dachte Harriet hinter ihren zusammengewachsenen Augenbrauen. Sie spürte eine leichte Verlegtheit des Gehörs, etwas wie Watte in den Ohren, erkannte aber nicht die Ursache davon: das rasche Durchmessen eines bedeutenden Höhenunterschiedes. Clayton trat vom Fenster. Er blickte Harriet an; aber
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