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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj
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sie sah jetzt nicht auf; anders hätte sie bemerkt, daß sein Antlitz sich sozusagen eingetrübt hatte. Eine Station kam. Aus dem Reisehandbuch wußte Clayton, daß man sich nun in einer Seehöhe von nahe an 900 Metern befand. Danach endete eigentlich alles in der langen ziehenden und sausenden Finsternis eines Tunnels. Die Lampe an der Decke, für welche der Schaffner noch vor dem Beginn der Gebirgsstrecke gesorgt hatte, bestrahlte mäßig diese Kammer mit den Polstersitzen, die mit ihren beiden Bewohnern durch die Dunkelheit eilte. Clayton hatte die Fenster geschlossen. Im Tunnel dachte Harriet noch einmal an sein Entzücken über die Bahn, sein Aussehen dabei, das ihr sehr gut gefallen hatte. Der Gedanke, sich jenem Entzücken anzuschließen, streifte sie jetzt so wenig wie früher. Der Tunnel war weg. Der Zug fuhr klappend und schlagend schnell bergab; man fühlte es deutlich. Auf dem Berge war die Fahrt stellenweise sehr langsam geworden. Die Landschaft draußen beruhigte sich in waldigen Höhen, die flacher wurden. Jetzt plötzlich war Harriet’s Gehör wieder ganz frei. Sie sagte es ihrem Mann und er gab ihr die Erklärung für diese Erscheinung.
    I n Agram vermeinten sie manchmal, sie seien noch zu Wien; in einem großen Café etwa. Besonders die Gesichter der Kellner waren ganz so wie in Wien, aber auch die mancher Gäste. „Austrian faces“, sagte Harriet. Robert fand das angenehm.
    Die Fahrt über den Semmering erwähnte er hintennach nie mehr.
    Ihr nächstes Reiseziel war ein Marktflecken in Krain namens Cerknica, ein Ort, den man damals auch Zirknitz benannte. Er liegt nahe einem See, der manchmal – samt allen Fischen und sonstigem Getier – durch unterirdische Emissäre verschwindet, in jahrelangen ganz unregelmäßigen Abständen, ähnlich wie der Neusiedler See im Burgenlande, dessen so geartete Besonderheit schon Plinius gekannt hat.
    Hier hatte Herr Milohnić – in einer Art von Reise-Dictionär, den er für das Ehepaar angefertigt, und der auch die notwendigsten Wörter Englisch-Slovenisch und Englisch-Kroatisch enthielt – eine Randzeichnung angebracht: nämlich einen kleinen Krebs: daneben ein großes Ausrufungs-Zeichen. Mit solcher Hilfe hatte man abends im Wirtshause bald eine hochgetürmte, in Servietten eingeschlagene Schüssel am Tische, die sich als ein Berg jener rotgekochten Tiere entpuppte. Der salzige frische Geschmack tat das seine – es waren enorme Burschen – und der Požeganer Riesling mundete dazu in unbeschreiblicher Weise.
    Aber Clayton – der nun einmal Molchgläser gleich interessiert untersuchte und sich für eine Bergbahn weit über das Technische hinaus zu erwärmen vermochte – verlangte dorthin geführt zu werden, wo er diese Krebse lebend in ihrer natürlichen Umgebung zu betrachten Gelegenheit haben könnte. (So weit langten Milohnić’ Dictionär und die Zeichensprache!) „Ja, ja“, meinte der Wirt, und „es sind nur ein paar hundert Schritte bis dahin.“
    Sie wurden am nächsten Tage bald getan. Es war nicht der eigentliche See, sondern irgend ein kleineres Gewässer, vom frischen Zirknitzbach durchflossen. Das Ufer war schattig. Die Wasseroberfläche aber spiegelte im Licht. Clayton legte sich in’s Gras auf den Bauch, nahe dem Abbruch des Ufers und beugte sich ganz hinab. Der Teich war hier am Rande kaum armtief und völlig klar. Zu seinem Erstaunen sah er alsbald drei oder vier der großen Krebse in der Nähe vom Ufer-Abbruch und von dessen Höhlungen umherkriechen. Clayton sprang auf. „Ich seh’ schon welche!“ rief er Harriet zu, die in der Wiese stand. Er warf den Rock ab, krempelte die Hemdärmel bis an die Achseln auf, legte sich wieder auf den Bauch und kroch so weit vor, daß seine langen Beine ihn eben noch im Gleichgewichte hielten. Dann tauchte er den rechten Arm langsam ein: das angezielte Tier aber, mit einem kräftigen Schwanzschlage nach rückwärts schwimmend, schnellte in die Tiefe des Wassers davon. Clayton, den dieser Vorgang überraschte (er hatte noch nie einen Krebs in freiem Wasser gesehen) und zugleich außerordentlich ergötzte, näherte sich mit der Hand einem anderen der Tiere; es saß unweit einer Uferhöhlung mit dem Kopf und den mächtigen Scheren gegen den Teich gekehrt. Clayton wollte auch dieses zu einem putzigen Sprunge veranlassen; jedoch wurde die Annäherung seiner Hand von dem besonders großen Exemplare offenbar garnicht bemerkt. Da wagte er’s denn und griff zu, und ohne darin Erfahrung zu haben, ganz
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