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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj
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welche diese über einem Kocher wärmten. Zuletzt hatte es schon Gaslicht gegeben.
    Chwostik also zeigte keine Besonderheiten in der Kleidung. Der immer gleiche himbeer-rote Maschinschlips war abgegriffen und von trüber Farbe. Dasselbe kann man vom Rand des schwarzen steifen Hutes sagen. Der Gummi an den Zugstiefeletten war längst erschlafft, sie standen daher um’s Fußgelenk herum wie Töpfe oder Häferln. Chwostik war schäbig gekleidet. Den Engländern – Robert Clayton und einigen Herren, Ingenieure, die wegen der technischen Einrichtung zunächst hier sich aufhielten – war das vollends gleichgültig. Sie schätzten den Mann. Er lernte so rasch Englisch, daß es fast unheimlich berührte (so, als habe er zunächst nur vorgegeben es nicht zu verstehen!) und da er von der Mutter her Tschechisch konnte, wurde das Serbo-Kroatische ihm auch bald geläufig. Sein Auffassungsvermögen war erstaunlich. Chwostik hatte nie irgendwelche andere Ausbildung durchlaufen als eine – allerdings sehr gute und solide – Handelsschule. So ging er denn nun täglich eilfertigst und eifrig bei Clayton & Powers ein und aus, schäbig, wie er eben war.
    Auch dieses letztere gedachte Milohnić bei seinem Freunde Chwostik mit der Zeit zu ändern. Doch gab es, wie schon angedeutet wurde, Änderungen, die ihm dringlicher erschienen.
    Schon die Gasse, in welcher Chwostik wohnte, mißfiel dem ,Milo‘ (so wurde er von Chwostik genannt, den er seinerseits mit ,Pepi‘ ansprach). Wenn die Dunkelheit hereingebrochen war, erschienen in der schwach beleuchteten, Adamsgasse‘ (war dieser Name nun ominös oder nicht?!) auf dem Gehsteige vereinzelte Flecken, Gestalten, die stationär blieben oder sich in der Nähe eines Haustores nur wenig hin und her bewegten, teils auch unter oder vor demselben standen im geringen Schein einer Gaslaterne. Somit konnten diese Frauen nicht als Passantinnen gelten, und das wollten sie auch keineswegs. Einzelne Passanten jedoch wurden von ihnen angesprochen. Jede hatte in einem der Häuser ein Zimmer, wo dann einschlagenden Falles was passierte (die Hausmeisterin kassierte hierauf beim Weggehen des Gastes das Sperrgeld ebenso wie beim Kommen, also stets zweimal, und freilich weit mehr als von einer ,soliden Parte‘). Entscheidend wird nun aber – und allein dieser Umstand ist es, welcher unser Interesse erwecken kann! – daß jene Häuser eben keineswegs zur Gänze den angedeuteten Zwecken dienten (es gab ja auch nie mehr als höchstens vier bis fünf Nicht-Passantinnen in der Gasse), sondern von Arbeitern, Angestellten, Pensionisten und Trafikanten und deren Familien bewohnt waren, wie andere Häuser dieser sehr modesten Gegend auch. Solche Mieter traten den Frauen ein Zimmer ab, nicht zum Wohnen, sondern für den gewerblichen Zweck. Die Menschen in den großen Städten waren damals sehr arm. Gab es keinen genügend separierten Zugang für den in Frage kommenden Raum – meist war es der beste in der Wohnung – dann mußte ein solcher Zugang oft auf komplizierte Weise geschaffen werden. Es entstanden ganze abgeschlossene Gänge, schmale Gänge zwischen an gespannten Stricken befestigten alten Teppichen, Bettdecken oder Bettlaken, und solche Gänge führten oft mitten durch ein Zimmer, es in zwei Räume teilend, und leiteten so zur Türe des Empfangsraumes der betreffenden Dame. Die Besucher, hinter ihr dreingehend, fast immer ernsten Gesichts, sahen durch die Behänge und Vorhänge die Petroleumlampen der sozusagen rechtmäßigen Bewohner gedämpft scheinen und rochen deren warmen Dunst, will sagen, sowohl den der Bewohner, wie der Lampen. Es soll hier nicht untersucht und festgestellt, sondern nur als immerhin möglich oder denkbar in’s Auge gefaßt werden, daß bei den durch die Behänge scheinenden Lampen Schulkinder späte Aufgaben machten.
    So also verhielt es sich mit der Adamsgasse (würde der griechische Historiker Herodot abschließend sagen), und dem Milo langte das alles weitaus für ein erwähntes lebhaftes Mißfallen.
    Aber der Chwostik hatte selbst zwei solche Weiber in der Wohnung, allda tätig Nacht für Nacht.
    Ohne Behänge, Laken oder Vorhänge allerdings, weil die Zimmer vom Vorraume aus (dort brannte die ganze Nacht eine Petroleumlampe) direkt und jedes für sich zugänglich waren.
    „Wenn es die Engländer erfahren, fliegst du glatt hinaus“, sagte Milo. Es ist merkwürdig genug, daß in bezug auf die Firma Debrössy solche Bedenken bei ihm niemals aufgetaucht waren.
    „Ich
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