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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj
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nun hartnäckig auf seiner neuen Route bestand – mit jener Festigkeit, welche die frühe Jugend oft bei nichtigen Gegenständen zeigt und welche nichts anderes ist als die vorweg genommene Form späterer und härterer Entscheidungen (als wollte das Leben solches früh mit uns üben!) – so schlossen sich ihm allmählich einzelne an; wohl möglich, daß von seiner auch sonst sich mehr und mehr ändernden Verfassung einige Macht ausging. Unter jenen, welche auf solche umwegige Weise aus dem Frühsumpf ihrer Jugend stiegen und auf den festen Boden mit seinen viel gefährlicheren, weil von anderen übernommenen Verlockungen aus zweiter Hand, befanden sich die Gymnasiasten Heribert von Wasmut und Fritz Hofmock. Des ersteren Vater war gar Sektionschef im Ministerium des Kaiserlichen Hauses und des Äußeren, der alte Hofmock hingegen ein verhältnismäßig höherer Beamter bei den Finanzen.
    Jene drei, die den Kern der Sache ausmachten, paßten also der Herkunft nach gut zusammen.
    Schon zeigten sich auch deren Prätentionen.
    Für uns hier hat es ja weniger zu sagen, daß die Schulfortschritte der drei innerhalb eines halben Jahres schon ganz erhebliche waren. Sie gehörten bald zu den Besten der Klasse. Aber das war nur die äußerste Haut eines erneuerten Leibes.
    Wichtiger erscheint, daß Heribert, Fritz und Zdenko für ihre Eltern gewissermaßen handlicher wurden. Jene Renitenz jugendlicher Geschöpfe, unter welcher alle jene leiden, die es nicht haben lassen können, mit solchen die Welt zu bereichern, ließ nach, ja, sie schien zuletzt verschwunden. Nur von Zdenko wurde dabei eigentlich ein Abschied vom früheren Zustande erlebt; ja, man könnte es fast einen schmerzhaften Abschied nennen: als er nachts einmal – was bei ihm sonst nie vorkam – erwachte, und geradewegs ein langes halbes Jahr entlang sah, entlang wie an einer glatten Mauer, die bis zu einer Ecke weißgekalkt hinlief; und eben hinter dieser Ecke war er einst befindlich gewesen – er wußte sich dort; vermochte jedoch nicht mehr hervorzutreten, sondern blieb gleichsam in einer Nische verschlossen. In diesem Augenblicke drängte ihn Angst und er setzte sich rasch im Bette auf.
    Nie war zwischen den jungen Leuten von Clayton bros. die Rede, niemals wurden sie erwähnt, sie blieben ein still vorüberziehendes, am täglichen Kurs liegendes Phänomen – zugleich ein äußerstes Intimum eines jeden von den dreien, ja, die unaussprechliche Angel, um welche die Existenz schwang und schwankte. Die ,Engländer‘ unterlagen dem strengsten Tabu.
    C hwostik war kein veränderungs-süchtiger Mensch. Er veränderte so manches nicht, was nach Ansicht seines gleichaltrigen Freundes Andreas Milohnić jetzt schon dringend zu verändern gewesen wäre; seit nämlich Josef Chwostik auf dem besten Wege sich befand, bei Clayton & Powers so etwas wie ein rechter Kanzlei-Chef zu werden. Denn in diesem einen Punkte hatte Chwostik sich eben doch verändert und, nach längerem Anraten und Zureden von seiten Milohnić’, seine bisherige Stellung aufgegeben.
    Sie war gut, aber nicht aussichtsreich gewesen. Chwostik konnte in der Devotionalien-Erzeugung Debrössy nicht mehr werden als er mit seinen kaum dreißig Jahren schon war, nämlich der eigentliche kommerzielle Leiter. Das Technische ging ihn nichts an. Obwohl nun dieses Geschäft eine der ältesten und größten Erzeugerfirmen am Platze vorstellte für religiösen Schmuck und Reiseandenken – weit über 365 Heiligenstanzen-und Schnitte, darunter auch viele, die nicht laufend verlangt wurden, etwa St. Tryphon (10. November) oder St. Smaragdus (8. August) und andere mehr – so war es eben doch eine kleine Quetsche von fast provinziellem Charakter (die Einrichtung der Geschäftsräume und die Art der Angestellten entsprach dem ganz!) und schon gar im Vergleich zu Clayton & Powers.
    Doch hatte Chwostik recht gut in die Firma Debrössy gepaßt. Auch ihm eignete ein zwar nicht priesterlicher, aber doch mesner – oder küsterhafter Zug, wenn auch nur in leichtem, kaum feststellbarem Maße, und keineswegs wie es bei mehreren von den Angestellten der Fall war – sogar in faßbaren Einzelheiten der Kleidung ausgedrückt, in schwarzen breiten Atlas-Krawatten, schlichten dunklen Röcken oder gar in der unbeschreiblichen haubenhaften Hutform eines älteren Bureaufräuleins. Die ebenerdig gelegenen Geschäftsräume waren auch bei Tage nie recht hell gewesen. Zudem roch es nach den mitgebrachten Mahlzeiten der Angestellten,
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