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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj
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verlange nicht von dir, Pēpi“, sagte er noch, „daß du augenblicklich deine Wohnung wechselst oder sofort die Weiber hinauswirfst. Beides ist nicht möglich. Das erstere wäre überhaupt die bessere Lösung. Aber du solltest doch wenigstens darauf sinnen, hier einen Wandel zu schaffen.“ Er redete sein etwas hart klingendes Deutsch manchmal nah an der Art schriftlichen Ausdruckes. In der Tiefe blieb es doch für ihn eine erlernte Fremdsprache.
    „Ich sinne“, sagte Chwostik und sah säuerlich vor sich hin. Dabei hakte er den linken Zeigefinger in die Westentasche, wie er das gern zu tun pflegte.
    Milo wußte im Grunde ganz gut, daß Chwostik ein unverbesserlicher Mensch war.
    Es wäre denn auch keineswegs so einfach gewesen, in Chwostiks häuslichen Verhältnissen einen Wandel zu schaffen, wie es hier auf den ersten Anhieb erscheinen mag.
    Wie war er zu den Weibern gekommen, die ihn jetzt nächtens links und rechts flankierten? Das geräumige Kabinett, auf welches er sich zurückgezogen hatte, lag mitten in der Wohnung zwischen den zwei in Benützung stehenden Zimmern. So trennte Chwostik die Liebeslager. Des Kabinettes Flügeltüren nach beiden Seiten waren freilich versperrt, verhängt, ja, verstellt mit Möbelstücken.
    Wieso und woher die Weiber? Chwostik war noch nicht fünfundzwanzig gewesen, als er in einem und demselben Jahre beide Eltern verloren hatte; der Vater starb der Mutter nach. Der Vater hatte sein Leben lang den Beruf eines Kellners ausgeübt, durch seine letzten zehn Jahre in einem nahegelegenen Beisl, wo Pēpi und Milo heute noch gelegentlich saßen (auch das früher wiedergegebene Gespräch ist ebendort geführt worden, und es sollten noch einige von dieser Art folgen!). Der Wirt kannte Chwostik freilich als den Sohn seines einstmaligen ,Ober‘. Pēpi blieb arm zurück, bei Debrössy war sein Gehalt noch klein, dort kam er später erst hinauf, das heißt eigentlich: er brachte das Geschäft in die Höhe.
    Ihm blieb nach des Vaters Ableben fast nichts als die Wohnung mit den einigermaßen greulichen Möbeln.
    Nun freilich, er war allein im eigenen Heim.
    Und er war jung.
    Er hatte eine Stellung und vermochte sich zu erhalten.
    Jedoch knapp, ja schlecht. Zudem ist man mit fünfundzwanzig kein einteilsamer Rechnungsrat. Eines Tages bedeutete ihm die Hausmeisterin – Frau Wewerka, ein troglodytisches Knollengewächs, das aus der Hüfte hinkte – sie würde abends hinaufkommen, ihm was sagen. (Nun ja! Das doppelte Sperrgeld!) Die Zimmer seien sehr geeignet, ihre Lage, heißt das, meinte Frau Wewerka, obendrein im Hochparterre! Und: er, Chwostik, könne es doch wirklich besser haben! Sie überschlug’s. Es war beträchtlich. Sie würde es schon machen. Zwei sehr nette anständige Frauen. Die Wewerka wußte freilich ganz genau, daß nicht sie, sondern nur Pēpi Chwostik an den Kuppelei-Paragraphen des Strafgesetzes anstreifen mußte, durch das Aufnehmen der Weiber. Immerhin, die Sache war polizeilich in dieser Gasse toleriert, mindestens so lange niemand eine formelle Anzeige machte.
    So kam’s. Finy und Feverl (Josefine und Genoveva). Sehr bescheiden, sehr zurückhaltend beide. Um die dreißig. Eher mehr. Eher korpulent. Heute wären die zwei nicht denkbar. Damals jedoch war die ganze Lage dieser Branche eine bessere und die Mode den Dicken nicht feindlich.
    Burgenländische Trampel bäuerlicher Herkunft, mit neunzehn durchgebrannt, des Jochs müde (vomere fessae), lieber in Wien auf dem Rücken liegend für ihren Unterhalt, als in Podersdorf die Heugabel schwingend oder in St. Marienkirchen, jenseits des Neusiedlersees, schon gegen dessen nördliches Ende zu: dorthin waren sie auch verdingt gewesen. Diese Gegend ist getüpfelt von Seen und Lacken. Finy und Feverl schwammen und tauchten bald wie die Fischottern darin herum, aber in wursthautartigen Badeanzügen, und nicht wie die ungarischen Bäuerinnen, die gleich mit ihren Kleidern bis zur Brust in’s Wasser gehen.
    Chwostik hat mit den beiden Weibern nie gesprochen, sie kaum jemals zu Gesicht bekommen, höchstens einmal verschwindend und verhuschend im Vorzimmer. Das war die Bedingung von seiner Seite. Die Hausmeisterin mußte alles arrangieren. Bei seinen neuen Untermieterinnen wie bei ihm bewährte sich von vornherein ein Instinkt für gewisse nicht zu überschreitende Grenzen, jenseits derer man ohne jedes Nachdenken mit Sicherheit ein ganz anderes Gebiet, andere Situationen und deren Gesetze wußte. Beide Frauen hatten es dahin
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