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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady
Autoren: Margery Sharp
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William. „Eine
Rarität für den Sammler“ — und Julia strahlte ihn an, denn gerade das hatte sie
Susan damals zu verstehen geben wollen, und er wußte immer so genau, was sie
meinte.
    Sie selbst fühlte sich in bester Form;
mancher bewundernde Blick ruhte während des Abends auf ihr und Sir William. —
    „Du bist der vornehmste Mann am Platze!“
erklärte Julia. „Sieh mich bitte an, als ob du mich gern hättest, William!“ Und
das tat Sir William auch, ganz wie ein Franzose — bloß hielt ihn wahrscheinlich
jeder für einen englischen Lord...
    Sir William stellte den Wagen in der
Scheune ein, um das Haus nicht zu wecken, und dann schritten sie durch den
stillen Garten hinauf. Ein voller Mond streute Silber über die Bäume und
überglänzte mit seinem klaren Schein die Farbenpracht der Blumen, bleichte das
dunkle Rot der Rosen, beschattete die weißen und hob mit feinen Strichen von
Silber und Nachtschwarz die Umrisse eines jeden Zweigs, eines jeden Blatts
hervor, die der Tag im gleichförmigen Grün untertauchen ließ. Julia blieb
stehen, und der Spitzenschal glitt von ihren Schultern — das Mondlicht tauchte
sie augenblicklich in leuchtende Weiße, weißer als Milch.
    „Eine herrliche Nacht!“
    „Herrlich“, wiederholte Sir William. „Du
mußt das Kleid immer bei Vollmond tragen, meine Liebe!“
    Julia breitete den langen Rock ihres
Kleides aus und ließ das Licht darüber spielen. Das Blau wich dem Schwarz und
Silber der Mondnacht. „Ich werde immer so ein Kleid haben“, versprach sie. „Ich
— ich laß’ mich darin begraben, William.“ Plötzlich brach ihre Stimme, ihre
Hände zitterten, und die langen Falten fielen mit einem flüsternden Geräusch
wieder zusammen. „William“, sagte sie, „William— ich habe Angst!“ Sogleich
legte sich, wie damals, als sie aus dem Wald geflüchtet war, die schützende
Schranke seines Arms um sie. „Angst? Wovor brauchst du jetzt Angst zu haben,
mein Liebling?“
    „Es ist alles zu schön. Es kann nicht
so bleiben.“
    „Unsinn“, sagte Sir William zärtlich. „Es
wird unser Leben lang so bleiben.“
    „Dann wirst du vor mir sterben, und ich
werde das nicht ertragen können — oder irgend etwas wird geschehen, um uns zu
stören.“
    „Unsinn“, sagte Sir William wieder. „Du
bist nur müde, meine Liebe, müde und aufgeregt. Dieses ganze Hin und Her hat
dich mitgenommen, morgen ist Schluß damit. Wir werden sofort heiraten.“
    Aber Julia hörte nicht. Sie war
zusammengefahren, hatte sich umgedreht und starrte in den Schatten, den das
Haus warf. „Da bewegt sich etwas“, flüsterte sie, „da ist jemand!“ Mit drei
langen Schritten hatte Sir William die Schattenzone durchmessen und legte seine
Hand an die Hauswand. „Nichts, niemand“, sagte er. „Komm ins Haus, du siehst
Gespenster.“ Er führte sie ins Haus und drehte alle Lichter in der Halle an. In
Sicherheit hinter den vier Wänden, konnte Julia ihn wieder ansehen und mit ihm
über ihre dumme Angst lachen. Sie gab ihm einen Gute-Nacht-Kuß, ging in ihr
Zimmer und setzte sich vor den Spiegel ihres Ankleidetisches. Ein strahlendes
Bild blickte sie an, mit geröteten Wangen, leuchtenden Augen, die Schultern...
    Die Schultern!
    „Hab ich doch tatsächlich meinen Schal
draußen liegenlassen!“ sagte Julia laut.
     
    *
     
    Es war ein guter Schal — gar nicht
billig damals, als sie ihn kaufte — und wenn sie ihn bis zum Morgen liegen
ließe, würde der Tau ihn bestimmt ruinieren. Julia sprang auf, in der Absicht,
Sir William zu bitten, ihn doch hereinzuholen; aber als sie im Flur war,
stockte sie. Sie hatte die bestimmte Überzeugung, daß sich Sir William nur
ungern in Unterhosen überraschen lassen würde; er war genau der Typ. der etwas
eigen über solche Dinge denkt. So ging sie denn lieber selbst und brauchte auch
nicht weit zu suchen, denn der Schal lag gerade am Fuß der Verandatreppe.
    Julia hob ihn auf und wandte sich, um
wieder hinaufzusteigen — und plötzlich fühlte sie das Blut in ihren Adern
gerinnen: etwas hatte sich hinter ihr gerührt. Es bewegte sich immer noch.
    Ein Schatten löste sich von den
Schatten, nahm Gestalt an, zeigte ein weißes Gesicht im Mondschein. Und sprach
mit einer bitteren, zynischen Stimme.
    „Was paßt am besten: viel V ergnügen?’ ‘
sagte Bryan Relton.
    Instinktiv hob Julia den Arm, wie um
einen Schlag abzuwehren. Warte, sagte die Bewegung, warte, tu mir jetzt nicht
weh!
    Aber er wollte nicht warten. Seine
Stimme sprach weiter, hart
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