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Die Voegel

Die Voegel

Titel: Die Voegel
Autoren: Daphne Du Maurier
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mitgemacht. Und es soll anhalten, sagt das Radio. Soll irgendwas mit dem Polarkreis zu tun haben.«
    »Wir haben das Radio heute früh gar nicht angedreht«, sagte Nat. »Wir haben nämlich eine unruhige Nacht hinter uns.«
    »Sind die Kinder krank?«
    »Nein ...« Er wusste nicht recht, wie er es vorbringen sollte. Jetzt, am helllichten Tage, musste die Geschichte mit den Vögeln verrückt klingen.
    Er versuchte Frau Trigg zu erzählen, was geschehen war, konnte aber an ihren Augen ablesen, dass sie das Ganze für einen Albtraum hielt.
    »Richtige Vögel?«, fragte sie lächelnd. »Nicht doch vielleicht solch merkwürdige Dinger, wie sie die Männer nach einem feuchtfröhlichen Abend gern sehen?«
    »Frau Trigg«, sagte er, »in unserem Kinderzimmer liegen fünfzig Vögel, Rotkehlchen, Zaunkönige und alle möglichen Arten, tot auf dem Fußboden. Sie gingen auf mich los, sie versuchten dem kleinen Johnny die Augen auszuhacken.«
    Frau Trigg starrte ihn ungläubig an. »Na, so was«, meinte sie dann, »wissen Sie, das macht der Ostwind, da sie nun einmal in der Kammer waren, konnten sie nicht mehr zurückfinden. Vielleicht sind es doch fremde Vögel, vom Polarkreis da oben.«
    »Nein, alles Vögel, wie man sie hier jeden Tag sehen kann.«
    »Komisch«, meinte Frau Trigg, »das kann man sich wirklich nicht erklären. Sie müssten mal an die Zeitung schreiben und dort nachfragen. Die wissen auf alles Antwort. Ich muss nun wieder an die Arbeit.«
    Sie nickte ihm zu, lächelte und verschwand in der Küche. Unbefriedigt ging Nat auf das Hoftor zu. Lägen nicht die toten Vögel, die er jetzt aufsammeln und irgendwo vergraben musste, in der Schlafkammer, so hätte er die ganze Geschichte für eine Ausgeburt seiner Phantasie gehalten. Er begegnete Jim am Hoftor.
    »Haben die Vögel euch auch zugesetzt?«, fragte Nat.
    »Vögel? Was denn für Vögel?«
    »Heut Nacht waren sie bei uns im Haus. Massenweise, in der Schlafkammer der Kinder. Ganz wild waren sie.«
    Es dauerte geraume Zeit, bis etwas in Jims Schädel hineinging. »Hab niemals von wild gewordenen Vögeln gehört«, sagte er schließlich. »Eher kriegt man sie manchmal zahm. Hab oft genug erlebt, wie sie ans Fenster kommen und Krumen picken.
    »Diese Vögel heut Nacht waren nicht zahm.«
    »Nicht zahm? Das macht vielleicht die Kälte. Oder der Hunger. Streut einfach ein paar Brotkrumen.«
    Jim zeigte ebenso wenig Interesse wie Frau Trigg. Es ist dasselbe wie mit den Fliegerangriffen im Krieg, dachte Nat. Kein Mensch hier auf dem Lande begriff, was die Leute in Plymouth durchmachten. Um etwas verstehen zu können, muss man es erst am eigenen Leib spüren.
    Er ging den Heckenpfad zurück, stieg über den Zauntritt und trat ins Haus.
    Seine Frau saß mit dem kleinen Johnny in der Küche.
    »Hast du jemand gesprochen?«, fragte sie.
    »Frau Trigg und Jim. Ich fürchte, sie haben mir nicht geglaubt. Jedenfalls ist dort drüben alles in Ordnung.«
    »Du musst die Vögel wegschaffen«, sagte sie. »Ich traue mich nicht hinein, um die Betten zu machen, ehe sie nicht weg sind. Ich habe Angst.«
    »Jetzt brauchst du keine Angst mehr zu haben. Sie sind doch tot.«
    Er ging mit einem Sack hinauf und ließ die toten Vogelleiber, einen nach dem anderen, hineinfallen. Ja, es waren wirklich fünfzig. Alles kleine heimische Vögel.
    Kein einziger auch nur so groß wie eine Amsel. Es musste der Schrecken gewesen sein, der sie dazu getrieben hatte. Blaumeisen und Zaunkönige; es war unfasslich, dass diese kleinen Schnäbel noch vor ein paar Stunden mit solcher Wucht nach seinem Gesicht und seinen Händen gehackt hatten.
    Er trug den Sack in den Garten und sah sich jetzt einer neuen Schwierigkeit gegenüber. Der Boden war zu hart gefroren, als dass man hätte ein Loch schaufeln können. Der Frost saß tief in der Erde; und doch hatte es noch nicht einmal geschneit; es war eigentlich nichts geschehen, nur der Ostwind war gekommen. Es war unnatürlich, seltsam. Die Wettervorhersage hatte wohl doch Recht.
    Wahrscheinlich hing der Wetterumschlag irgendwie mit dem Polarkreis zusammen.
    Als er dort stand, grübelnd, den Sack in der Hand, ließ ihn der eisige Wind bis ins Mark erschauern. Unten in der Bucht brachen sich die schaumgekrönten Wellen. Er beschloss, die Vögel an den Strand zu tragen und dort einzuscharren.
    Als er die Klippe hinabgeklettert war, konnte er sich kaum aufrecht halten, so heftig fuhr ihm der Ostwind entgegen. Das Atemholen schmerzte, seine bloßen Hände waren
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