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Die Voegel

Die Voegel

Titel: Die Voegel
Autoren: Daphne Du Maurier
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beschließen würden, könnte ihnen hier draußen, dreihundert Meilen entfernt, wenig nützen. Jeder Hausvater musste selbst nach dem Rechten sehen.

    »Was haben wir an Lebensmitteln im Hause?«, fragte er. »Aber Nat, was denn nicht noch alles!«

    »Frag nicht. Was hast du in deiner Speisekammer?«

    »Du weißt doch, dass morgen mein Einkaufstag ist. Ich hab nicht so viel Lebensmittel herumstehen, sie verbrauchen sich so schnell. Der Fleischer kommt erst übermorgen. Aber ich kann etwas mitbringen, wenn ich morgen zum Einkaufen fahre.«
    Nat wollte sie nicht beunruhigen. Er hielt es nicht für ausgeschlossen, dass sie morgen gar nicht zur Stadt fahren konnte. Er sah selbst in der Speisekammer und im Küchenschrank, wo sie die Konserven aufbewahrt hielt, nach.
    Für ein paar Tage würde es schon reichen. Brot war allerdings knapp.
    »Und wie ist es mit dem Bäcker?«
    »Er kommt auch morgen.«
    Falls der Bäcker ausblieb, war Mehl genug vorhanden, um selbst ein Brot zu backen.
    »Früher war man doch besser dran«, sagte er, »da haben die Frauen zweimal in der Woche gebacken, es gab immer eine Tonne mit Salzheringen im Haus, und es waren stets so viel Lebensmittel da, dass eine Familie sogar eine Belagerung überstehen konnte, wenn es sein musste.«
    »Die Kinder mögen gesalzenen Fisch nicht«, meinte sie.
    Er hämmerte weiter an den Verschalungen der Küchenfenster. Kerzen! Die Kerzen gingen auch zur Neige. Wahrscheinlich wollte sie morgen neue kaufen.
    Nun, da war nichts zu machen. Sie mussten heute eben zeitig zu Bett gehen. Das heißt, falls ...
    Er stand auf, ging durch die Hintertür in den Garten und sah über das Meer.
    Den ganzen Tag hatte die Sonne sich nicht gezeigt, und jetzt, obwohl es erst drei Uhr war, herrschte schon Zwielicht. Der Himmel war schwer, düster und farblos wie Salz. Er konnte die wütende See an die Felsen trommeln hören. Er ging den Pfad entlang bis halbwegs zur Bucht. Dort blieb er stehen. Die Flut war gekommen. Ein Felsen, den man vormittags noch sehen konnte, war jetzt überspült; und dennoch war es nicht die See, die seinen Blick gefangen hielt. Die Möwen hatten sich erhoben. Sie kreisten, hoben ihre Schwingen gegen den Wind, zu Hunderten, zu Tausenden. Es waren die Möwen, die den Himmel verdunkelten.
    Und sie waren still. Sie gaben keinen Laut. Sie schwebten und kreisten, stiegen und fielen, erprobten ihre Kräfte gegen den Sturm.
    Nat machte kehrt. Er lief den Pfad hinauf, zurück zu seinem Häuschen.
    »Ich hole Jill ab«, sagte er, »ich warte an der Bushaltestelle auf sie!«
    »Was ist geschehen?«, fragte seine Frau. »Du bist ganz blass.«
    »Pass auf, dass Johnny im Hause bleibt«, entgegnete er, »halte die Türen geschlossen. Zünde Licht an, jetzt gleich, und zieh die Vorhänge zu.«
    »Aber es ist erst drei Uhr«, sagte sie.
    »Macht nichts. Tu, was ich sage.«

    Er schaute in den Geräteschuppen hinter dem Haus. Nichts, was von großem Nutzen sein könnte. Der Spaten war zu schwer, die Gabel taugte auch nichts. Er ergriff die Hacke. Es war das einzige Gerät, das infrage kam und leicht genug zum Tragen war.
    Er eilte den Heckenpfad entlang zur Bushaltestelle; immer wieder blickte er über die Schulter zurück. Die Möwen waren jetzt höher gestiegen, ihre Kreise größer, weiter geworden; sie verteilten sich in riesigen Formationen über den ganzen Himmel.
    Er hastete weiter. Obwohl er wusste, dass der Bus nicht vor vier Uhr auf der Anhöhe sein konnte, trieb es ihn vorwärts. Niemand begegnete ihm. Er war froh darüber, es war keine Zeit, stehen zu bleiben und zu schwatzen.
    Oben auf dem Hügel angelangt, wartete er. Es war noch viel zu früh. Eine halbe Stunde musste er ausharren. Pfeifend kam der Ostwind über die Felder gefegt. Er stampfte mit den Füßen und blies in die Hände. In der Ferne konnte er die Kreidefelsen sehen, blinzelnd weiß gegen den bleiernen, düsteren Himmel.
    Dahinter stieg etwas Schwarzes auf, zunächst wie ein Rauchschwaden, dann wuchs es und wurde dichter, der Schwaden wurde zu einer Wolke, teilte sich wiederum in fünf weitere Wolken, die sich nach Norden, Osten, Süden und Westen zerstreuten.
    Aber die Wolken waren gar keine Wolken, es waren Vögel. Er sah sie über den Himmel ziehen, und als ein Schwarm gerade über ihm, in einer Höhe von siebzig bis hundert Metern, dahinstob, erkannte er an dem eiligen Flug, dass diese Vögel landeinwärts strebten, dass sie sich nicht um die Menschen hier auf der Halbinsel kümmerten. Es waren
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