Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Voegel

Die Voegel

Titel: Die Voegel
Autoren: Daphne Du Maurier
Vom Netzwerk:
kniete nieder, scharrte die Asche zusammen und entzündete ein Feuer. Mit den brennenden Scheiten, dem dampfenden Kessel und der braunen Teekanne kehrten Traulichkeit und die gewohnte Sicherheit wieder. Er trank seinen Tee und trug seiner Frau eine Tasse hinauf. Dann wusch er sich in der Spülküche, zog seine Stiefel an und öffnete die Hintertür.
    Der Himmel war bleiern und schwer. Die braunen Hügel, die tags zuvor im Sonnenlicht erglüht waren, lagen kahl und düster da. Der Ostwind fuhr mit scharfer Klinge über die Bäume, das raschelnde, dürre Laub erbebte und flatterte im Winde davon. Nat stieß mit der Stiefelspitze gegen den hart gefrorenen Boden.
    Nie zuvor hatte er einen so gewaltsamen und plötzlichen Wechsel erlebt. In einer einzigen Nacht war ein trockener, kalter Winter hereingebrochen.
    Die Kinder waren jetzt wach. Jill plapperte und schwatzte, der kleine Johnny begann wieder zu weinen. Nat hörte die Stimme seiner Frau, tröstend, besänftigend. Gleich darauf kam sie hinunter. Er hatte das Frühstück für die Familie fertig, das alltägliche Leben begann.
    »Hast du die Vögel weggejagt?«, fragte Jill, von ihrer Angst befreit, weil das Feuer brannte, weil es Tag war, weil es Frühstück gab.
    »Ja, jetzt sind sie alle fort«, antwortete Nat, »der Ostwind hat sie hierher getrieben; sie waren wohl verängstigt und außer sich und suchten nur Schutz.«
    »Sie haben aber nach uns gepickt«, sagte Jill, »und Johnny sogar nach den Augen.«
    »Das haben sie nur aus Angst getan«, erklärte Nat. »Hoffentlich kommen sie nicht wieder«, meinte Jill. »Wir können ihnen vielleicht Brotkrumen vors Fenster streuen, die fressen sie dann auf und fliegen weg.«
    Sie stand vom Frühstückstisch auf, holte ihren Mantel und ihr Mützchen, ihre Schulbücher und ihren Schulsack. Nat schwieg, seine Frau warf ihm über den Tisch einen Blick zu, eine stumme Botschaft.

    »Ich werde dich zum Bus bringen«, sagte er, »ich arbeite heute nicht auf dem Hof.«
    Und während das Kind sich in der Spülküche die Hände wusch, meinte er leise zu seiner Frau: »Halte alle Fenster geschlossen, und auch die Türen. Nur aus Vorsicht. Ich gehe nachher zum Hof hinüber. Will doch hören, ob sie heute Nacht auch etwas gemerkt haben.« Dann ging er mit seinem Töchterchen den Heckenweg entlang. Die Kleine schien die Erlebnisse der Nacht vergessen zu haben. Sie hüpfte vor ihm her und haschte nach den fallenden Blättern; die Kälte ließ ihr Gesichtchen unter der Zipfelmütze rosig erglühen.
    »Wird es schneien, Papa?«, fragte sie. »Es ist doch kalt genug, nicht?«
    Er blickte zum grauen Himmel empor, fühlte den eisigen Wind an seinen Schultern zerren.
    »Nein, es wird nicht schneien. Diesmal gibt es einen schwarzen Winter, keinen weißen.«

    Die ganze Zeit über suchte er mit den Augen die Hecken nach den Vögeln ab, spähte über die Felder, blickte forschend zu dem Wäldchen jenseits des Hofes, wo sonst die Saatkrähen und Dohlen kreisten; er sah nicht einen einzigen Vogel.
    Die anderen Kinder, verpackt und eingemummt wie Jill, warteten an der Bushaltestelle; sie sahen verfroren aus und hatten weiße Nasenspitzen.
    Jill winkte und lief auf sie zu. »Mein Papa sagt, es gibt keinen Schnee«, rief sie, »es gibt einen schwarzen Winter.«
    Von den Vögeln sagte sie nichts. Sie begann sich mit einem anderen kleinen Mädchen zu balgen. Der Autobus kam schwerfällig die Anhöhe heraufgekrochen.
    Nat wartete, bis sie eingestiegen war, kehrte dann um und ging zum Hof hinüber.
    Es war heute für ihn kein Arbeitstag. Er wollte sich aber davon überzeugen, dass alles in Ordnung sei. Jim, der Kuhhirt, rumorte bei den Ställen herum.

    »Ist der Bauer da?«, fragte Nat.
    »Zum Markt«, brummte Jim. »Heute ist doch Dienstag.« Er stapfte davon und verschwand hinter einem Schuppen. Er hatte keine Zeit für Nat. Nat sei etwas Besseres, hieß es. Las Bücher und solches Zeug.
    Nat hatte nicht daran gedacht, dass Dienstag war. Daran erkannte er, wie sehr ihn die Ereignisse der vergangenen Nacht mitgenommen hatten. Als er um das Bauernhaus herum zur Hintertür ging, hörte er die Bäuerin, Frau Trigg, in der Küche singen; das Radio spielte die Begleitung.
    »Sind Sie da, Frau Trigg?«, rief Nat.
    Sie kam an die Tür, vergnügt, heiter und mit der Welt zufrieden.
    »Guten Tag, Hocken«, rief sie, »können Sie mir erklären, woher diese plötzliche Kälte kommt? Aus Russland vielleicht? So einen Wetterumschlag hab ich mein Lebtag noch nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher