Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Voegel

Die Voegel

Titel: Die Voegel
Autoren: Daphne Du Maurier
Vom Netzwerk:
durch die Luft. Er hörte das Aufklatschen von Körpern, das Flattern von Schwingen, aber noch waren sie nicht besiegt, denn wieder und wieder kehrten sie zum Angriff zurück, hackten ihm nach den Händen, dem Kopf; die kleinen Schnäbel stachen scharf wie spitze Gabeln. Die Wolldecke wurde zur Verteidigungswaffe, er wickelte sie sich um den Kopf und schlug, nun in völliger Finsternis, mit den bloßen Händen nach den Vögeln. Er wagte nicht, sich zur Tür zu tasten und sie zu öffnen, aus Furcht, dass ihm die Vögel folgen könnten.
    Wie lange er mit ihnen in der Dunkelheit gekämpft hatte, wusste er nicht, aber schließlich wurde das Flügelschlagen schwächer und erstarb; durch das dichte Wollgewebe der Decke nahm er Licht wahr. Er wartete, lauschte, kein Laut erklang außer dem bitterlichen Weinen der Kinder aus dem Schlafzimmer. Das Flattern, das Schwirren der Flügel hatte aufgehört.
    Er streifte die Decke vom Kopf und blickte umher. Die Kammer lag im klaren, grauen Morgenlicht. Die Morgendämmerung und das offene Fenster hatten die lebenden Vögel zurückgerufen, die toten lagen auf dem Fußboden. Nat starrte auf die toten, kleinen Leiber. Bestürzt und entsetzt. Es waren nur kleine Vögel, nicht ein größerer war dabei. Es mochten etwa fünfzig sein, die dort auf dem Fußboden lagen. Rotkehlchen, Finken, Spatzen, Blaumeisen, Lerchen und Ammern; Vögel, die sich sonst nach dem Naturgesetz nur zu ihrer eigenen Gattung, an ihren eigenen Bereich hielten und die sich jetzt in ihrer Kampfeswut miteinander verbündeten, hatten sich an den Wänden der Schlafkammer zu Tode geschlagen oder waren durch ihn vernichtet worden. Einige hatten bei dem Gefecht Federn verloren, anderen klebte Blut, sein Blut, an den Schnäbeln.
    Angewidert ging Nat zum Fenster und sah über sein Gärtchen hinweg auf die Felder.
    Es war eisig kalt, die Erde blinkte hart und schwarz von Frost. Kein weißer Frost, der in der Morgensonne glitzerte, sondern der schwarze Frost, den der Ostwind bringt. Das Meer, jetzt aufgewühlt durch den Gezeitenwechsel, brodelnd und mit weißen Schaumkronen, brach sich heftig in der Bucht. Von den Vögeln keine Spur. Nicht ein einziger Spatz zwitscherte in der Hecke hinter der Gartenpforte, keine frühe Misteldrossel oder Amsel pickte im Gras nach Würmern.
    Kein Laut, nur der Ostwind und das Meer.
    Nat schloss das Fenster, zog die Kammertür hinter sich zu und ging über den Flur ins Schlafzimmer zurück.
    Seine Frau saß aufrecht im Bett. Das eine Kind lag schlafend neben ihr; das kleinere, mit verbundenem Gesicht, hielt sie in den Armen. Die Vorhänge waren dicht zugezogen, ein paar Kerzen angezündet. Ihr Gesicht leuchtete bleich in dem gelben Licht. Sie schüttelte, Schweigen heischend, den Kopf.

    »Er ist eben erst eingeschlafen«, flüsterte sie.
    »Irgendetwas muss ihn geritzt haben, er hatte Blut in den Augenwinkeln. Jill sagt, es seien die Vögel gewesen. Sie behauptete, sie sei aufgewacht und da seien die Vögel schon in der Kammer gewesen.«
    Verstört sah sie zu Nat auf, forschte in seinem Gesicht nach Bestätigung. Nat wollte ihr nicht zeigen, dass auch er durch die Ereignisse der letzten Stunden erregt, ja fast betäubt war.
    »Sie sind noch in der Kammer«, sagte er, »lauter tote Vögel, wohl fünfzig Stück. Rotkehlchen, Zaunkönige, nur kleine Vögel hier aus der Umgegend. Sie scheinen ganz von Sinnen gewesen zu sein, das macht wohl der Ostwind.« Er hockte sich neben seine Frau auf den Bettrand und ergriff ihre Hand.
    »Es ist das böse Wetter«, meinte er, »das muss es sein, dieses schlimme Wetter. Vielleicht sind es auch gar nicht unsere Vögel hier aus der Gegend. Der Wind hat sie hierher verschlagen, aus dem Inland.«

    »Aber Nat«, flüsterte die Frau, »das Wetter hat sich doch erst in dieser Nacht geändert. Es gab ja noch keinen Schnee, der sie vertrieben haben könnte. Und sie können auch noch nicht hungrig sein. Draußen auf den Feldern gibt es doch noch genug Futter.«
    »Es liegt am Wetter«, wiederholte Nat. »Glaub mir, es liegt am Wetter.«
    Ratlosigkeit und Ermüdung spiegelten sich auf ihren Gesichtern; eine Weile starrten sie einander wortlos an.
    »Ich gehe hinunter und mache uns eine Tasse Tee«, sagte er schließlich.
    Der Anblick der vertrauten Küche gab ihm sein Gleichgewicht wieder. Tassen und Teller, ordentlich auf dem Küchenbord aufgereiht, Tisch und Stühle, das Strickzeug seiner Frau auf dem Korbstuhl, die Spielsachen der Kinder im Eckschränkchen.
    Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher