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Die Voegel

Die Voegel

Titel: Die Voegel
Autoren: Daphne Du Maurier
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sah er in der letzten Sonnenglut noch immer die Vögel über den westlichen Hügeln schwärmen. Kein Wind. Die graue See ganz ruhig, trotz der Flut. An den Hecken noch immer blühende Lichtnelken, die Luft milde.

    Der Bauer behielt Recht, denn in dieser Nacht schlug das Wetter um. Das Schlafzimmer des Häuschens ging nach Osten. Nat erwachte kurz nach zwei und hörte den Wind im Schornstein pfeifen. Nicht das Brausen und Tosen des Südweststurmes, der Regen bringt, sondern den Ostwind, kalt und trocken. Es heulte hohl im Schornstein. Auf dem Dach klapperte eine lose Schieferplatte. Nat lauschte, er konnte das Brüllen der See von der Bucht her hören. Sogar die Luft in dem kleinen Schlafzimmer war eisig geworden, ein kalter Zugwind blies durch die Türritze über das Bett hinweg. Nat wickelte sich fester in seine Decke und schmiegte sich enger an den Rücken seiner schlafenden Frau. Er blieb jedoch wach, lauschend, von einer grundlosen bösen Ahnung befallen.
    Da hörte er etwas gegen das Fenster schlagen. An der Hauswand rankten keine Kletterpflanzen, die sich losgerissen haben konnten; trotzdem dieses Peitschen gegen die Fensterscheibe.

    Er horchte, das Schlagen wollte nicht aufhören. Schließlich kroch er, durch das Geräusch beunruhigt, aus dem Bett und tastete sich zum Fenster. Er öffnete es; in demselben Augenblick strich etwas über seine Hand, hackte etwas nach seinen Knöcheln, ritzte seine Haut. Dann spürte er ein Flattern von Flügeln, und fort war es, hinweg über das Dach, verschwunden hinter dem Häuschen.
    Es war ein Vogel gewesen. Was für ein Vogel, wusste er nicht. Der Wind hatte ihn wohl gezwungen, am Fenstersims Schutz zu suchen.
    Er schloss das Fenster und kroch ins Bett zurück; seine Knöchel fühlten sich feucht an. Er legte die Lippen an die Wunde. Der Vogel hatte ihm die Haut aufgerissen. Er hatte wohl Schutz gesucht und in seiner Angst und Verwirrung in der Dunkelheit nach ihm gepickt. Nat versuchte wieder einzuschlafen.
    Gleich darauf ertönte das Pochen aufs Neue; diesmal heftiger, beharrlicher.
    Jetzt erwachte auch seine Frau durch das Geräusch, sie drehte sich auf die andere Seite und murmelte: »Schau mal nach dem Fenster, Nat, es klappert.«
    »Ich hab schon nachgesehen«, antwortete er, »da ist irgendein Vogel, der versucht hereinzukommen. Hörst du den Wind? Er weht von Osten, zwingt die Vögel, Schutz zu suchen.«
    »Verscheuch sie«, sagte sie, »ich kann bei dem Geklapper nicht schlafen.«
    Zum zweiten Male ging er zum Fenster, und als er es jetzt öffnete, saß nicht nur ein Vogel auf dem Gesims, sondern wohl ein halbes Dutzend; sie schossen pfeilgerade auf sein Gesicht zu und fielen ihn an.

    Er schrie auf, schlug mit den Armen nach ihnen und verscheuchte sie; sie flogen, ebenso wie der erste, über das Dach davon und verschwanden. Rasch ließ er das Fenster herab.
    »Hat man so was schon erlebt?«, rief er. »Sie gingen auf mich los, versuchten, mir die Augen auszuhacken!« Er blieb am Fenster stehen und starrte in die Dunkelheit, konnte jedoch nichts erkennen. Seine Frau murmelte schlaftrunken etwas vom Bett her.

    »Ich bilde mir durchaus nichts ein«, widerlegte er ärgerlich ihre Äußerung.
    »Ich sage dir, die Vögel hockten auf dem Fenstersims und wollten ins Zimmer herein.«
    Plötzlich ertönte aus der Kammer jenseits des Flurs, wo die Kinder schliefen, ein ängstlicher Schrei.
    »Das ist Jill«, rief seine Frau, die bei dem Schrei aufgefahren war, »geh hinüber und sieh nach, was los ist.«
    Nat zündete eine Kerze an; als er aber die Schlafzimmertür öffnete und über den Flur gehen wollte, blies der Zugwind die Flamme aus. Jetzt erklang ein zweiter Schrei, voll Entsetzen, diesmal von beiden Kindern. Stolpernd erreichte Nat die Kammer und spürte in der Dunkelheit das Schlagen von Flügeln um sich. Das Fenster stand weit offen. Die Vögel kamen hereingeschwirrt, stießen zuerst gegen Decke und Wände, machten dann mitten im Fluge kehrt und schossen auf die Kinder in den Betten zu.
    »Keine Angst, ich bin da«, rief Nat, und die Kinder warfen sich ihm schreiend entgegen; in der Dunkelheit flogen die Vögel auf, stießen herab und griffen ihn wieder an.
    »Was ist los, Nat? Ist etwas geschehen?«, rief seine Frau vom Schlafzimmer; rasch schob er die Kinder durch die Tür auf den Flur und schloss sie hinter ihnen, sodass er jetzt in der Kammer mit den Vögeln allein war.
    Er riss die Decke vom Bett und schwenkte sie wie eine Waffe rechts und links über sich
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