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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau
Autoren: Sara Paretsky
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gemacht, aber es war immer noch erstaunlich warm für die Jahreszeit.
    Als ich mich dem Gefängnis näherte, verkrampfte sich die Stelle in meinem Unterleib, in die Hartigan mich getreten hatte. Ich kam aus freien Stücken hierher, als freie Frau, aber der Anblick der Stacheldrahtzäune ließ mich so heftig zittern, dass ich den Wagen an den Straßenrand lenken musste.
    Morrell hatte mir angeboten, mich zu begleiten, doch ich wollte beweisen, dass ich diese Fahrt allein schaffte. Jetzt wünschte ich mir, dass ich sein Angebot angenommen hätte. Am liebsten wäre ich umgedreht und so schnell wie möglich wieder nach Chicago zurückgefahren, aber ich zwang mich, den Wagen auf den Besucherparkplatz im Innern des Geländes zu lenken.
    Der Wachmann im ersten Häuschen schien meinen Namen nicht wiederzuerkennen. Er reichte mich an die nächste Station weiter, und schließlich saß ich wieder im Warteraum. Aufseher Cornish hatte die Aufgabe, mich von dort aus weiterzuführen.
    Er versuchte, mich in jovialem Tonfall zu begrüßen. »Sie haben's wohl nicht ohne uns ausgehalten, was?«
    Ich brummte etwas Unverbindliches. Ich hatte Anzeige gegen die gesamte Gefängnisverwaltung erstattet und Polsen und Hartigan namentlich erwähnt. Cornish würde wahrscheinlich als Zeuge vorgeladen werden, also hatte es keinen Sinn, ihn zu verärgern.
    Miss Ruby erwartete mich schon im Besucherzimmer. »Dann hast du's also geschafft, Cream. Du hast's nach draußen geschafft und bist wieder zurückgekommen. Du bist so was wie 'ne Heldin hier, weißt du das? Die Madchen wissen Bescheid, weil sie Wenzel und Polse n und Hartigan auf dein Betreiben hin rausgeschmissen haben. Außerdem haben sie die T-Shirt-Fabrik geschlossen, aber das weißt du wahrscheinlich schon.«
    Ja, das wusste ich. Ein Artikel im Wirtschaftsteil der aktuellen Zeitung berichtete darüber, dass Global seine Virginwear-Linie fortan in Myanmar, dem früheren Burma, herstellen lassen würde. Wahrscheinlich sollte es mich glücklich machen zu wissen, dass die Sachen von Global nun nicht mehr in einem Gefängnis in Illinois hergestellt wurden, sondern in einem Zwangsarbeiterlager in Myanmar.
    »Ein paar Sachen produzieren sie immer noch hier, aber nichts für Hollywood, also ist längst nicht mehr so viel los. Es ist ziemlich schwer für die Frauen, die in der Näherei gearbeitet haben; sie können kein Englisch und kriegen nur noch die schlecht bezahlte Arbeit in der Küche. Aber wahrscheinlich sind sie ganz froh, dass sie nichts mehr in der Näherei machen müssen. Die Frauen da hatten einfach immer alle zuviel Angst. Tja, also bist du jetzt wohl eine Heldin.«
    »Du klingst verbittert. Ich wollte überhaupt keine Heldin werden.«
    »Stimmt, aber du hast dich als Spionin hier eingeschlichen. Ich habe dich damals gefragt, und du hast gelogen. Das hättest du mir sagen können, als du mich um Hilfe gebeten hast.«
    »Ich bin wirklich verhaftet worden, genau, wie ich es dir gesagt habe, weil Robert Baladine mich beschuldigt hat, seinen Sohn entführt zu haben. Die Beamten haben mich hier rausgeschickt, weil ich an einem Wochenende mit Feiertag festgenommen worden bin. Ich habe dann beschlossen zu bleiben, weil ich unbedingt herausfinden wollte, was mit der armen Nicola passiert ist. Und ich habe es nicht gewagt, das irgend jemandem zu erzählen. Nicht nur, um mich selbst zu schützen. Du hast natürlich viel Einfluss auf die Frauen hier, und sogar die meisten Aufseher behandeln dich mi t Respekt, aber du bist hier drin, und damit bist du verletzlich. Ich wollte nicht, dass dir was passiert und ich mir deswegen mein ganzes Leben lang Vorwürfe machen muss.«
    Sie dachte über das, was ich gesagt hatte, nach und kam zu dem Schluss, dass ich möglicherweise recht hatte. Dann erzählte ich ihr die ganze Geschichte, die Geschichte, die ich auch den Leuten von der Presse gegeben hatte. Es gefiel ihr, zu den Insidern zu gehören, und besonders genoss sie die Beschreibung meiner Konfrontation mit Baladine und Lemour in St. Remigio.
    »Ein Mädel, das es mit Angie und den Iscariots aufnimmt, schafft auch 'nen korrupten Bullen. Freut mich, das zu hören.«
    Bevor ich ging, reichte ich ihr einen kleinen Beutel mit Kosmetika, den ich unter einem ganzen Stapel juristischer Dokumente versteckt hereingeschmuggelt hatte. Aufseher Cornish beobachtete mich dabei, wie ich Miss Ruby den Beutel gab, aber er schritt nicht ein.
    »Revlon! Du hast also dran gedacht. Feuchtigkeits- und Reinigungscreme,
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