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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau
Autoren: Sara Paretsky
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Medienzirkus
    Lacey Dowell umklammerte ihr Kruzifix, die schneeweißen Brüste vorgereckt, wahrend sie vor ihrem unsichtbaren Angreifer zurückwich. Einzelne rote Haarsträhnen lugten unter ihrer Haube hervor, mit ihren geschlossenen Augen und der gerunzelten Stirn schien sie die Grenze zwischen Agonie und Ekstase überschritten zu haben. Mir persönlich war das zuviel Gefühl auf einmal.
    Also drehte ich mich weg, aber da war sie schon wieder, die roten Haare wirr, die Brüste immer noch vorgereckt, und nahm den Hasty Pudding Award von einer Schar Harvardianer entgegen. Ich weigerte mich, die Wand zu meiner Rechten anzusehen, wo sie, den Kopf in den Nacken geworfen, über einen Scherz des Mannes lachte, der ihr gegenüber auf einem Stuhl saß. Ich kannte und mochte den Mann, und deshalb war mir sein Gesichtsausdruck kriecherischer Jovialität peinlich. Murray Ryerson war einfach ein zu guter Journalist, um sich so zu prostituieren.
    »Was ist bloß in ihn gefahren? Oder besser gesagt: Was ist nur in mich gefahren, dass ich in meiner Bar einen solchen Medienzirkus zulasse?«
    Sal Barthele, die Inhaberin des Golden Glow, hatte sich zwischen der Chicagoer Schickeria, die sich in ihrem Lokal drängte, zu mir durchgezwängt. Sie war so groß - über einsachtzig -, dass sie mich sogar in dieser Menge entdecken konnte. Nach einem Blick auf ihre vertafelten Wände, die jetzt als Projektionsflächen dienten, rümpfte sie angewidert die Nase.
    »Ich weiß es auch nicht«, sagte ich. »Vielleicht will er Hollywood beweisen, was für ein cooler Insider er ist, und den Leuten zeigen, dass er eine kleine Bar kennt, von der sie noch nie was gehört haben.«
    Sal schnaubte verächtlich und ließ dabei den Blick über den Raum schweifen, um eventuelle Probleme sofort zu entdecken - Gäste, die zu lange auf ihre Drinks warten mussten, oder Kellner, die nicht mehr weiterkamen. In der Menge befanden sich Berühmtheiten von den lokalen Fernsehsendern, die sich eifrig so postierten, dass ihre Kameras Lacey Dowell sofort erwischten, sollte diese jemals auftauchen. Beim Warten drückten sie sich so nahe wie möglich an wichtige Leute von den Global Studios heran. Murray selbst beschäftigte sich gerade intensiv mit einer Frau in einem Silbergazekleid. Sie hatte sehr kurze Haare, hohe Wangenknochen und einen breiten, leuchtend rot geschminkten Mund. Als halte sie meinen Blick gespürt, drehte sie sich um, sah mich einen Moment lang an, unterbrach Murray und deutete mit dem Kopf in meine Richtung.
    »Mit wem redet Murray denn da?« fragte ich Sal, aber die hatte sich bereits einem schwierigen Gast zugewandt.
    Ich drängle mich durch die Menge und stieß gegen Regine Mauger, die verhutzelte Klatschkolumnistin des Herald-Star. Sie sah mich feindselig an. Da sie mich nicht kannte, konnte ich ihr auch nicht nutzen.
    »Konnten Sie vielleicht ein bisschen aufpassen, junge Frau?« Regine hatte sich so oft liften lassen, dass ihre Haut aussah wie über Knochen gespanntes Papier. »Ich versuche, mich mit Teddy Trant zu unterhalten!«
    Das hieß, sie versuchte, ihre knochigen Schultern so nahe an Trant zu drücken, dass er sie bemerkte. Trant war bei Global Leiter der Sektion Mittlerer Westen und im Jahr zuvor, als Global den Herald-Star sowie die damit verbundenen Lokalblätter aufgekauft halte, von Hollywood hierher geschickt worden. Niemand in Chicago hatte ihm besondere Beachtung geschenkt, bis Global eine Woche zuvor damit begonnen hatte, sein Fernsehnetz auf dem Markt zu lancieren. Global h atte den Chicagoer Channel 13 als Flaggschiff erworben und Lacey Dowell, den Star von Globals unglaublich erfolgreichem RomantikHorrorstreifen, für die erste Sendung der Reihe »Hinter den Kulissen von Chicago« mit Gastgeber Murray Ryerson, »dem Mann, der Chicago von innen nach außen kehrt«, verpflichtet.
    Global startete eine »Hinter den Kulissen«-Serie auf jedem seiner Hauptmärkte. Da Lacey, der Global-Star, aus Chicago kam, war sie genau die richtige Wahl für diese Stadt. Scharen jubelnder Teenager hatten sie genauso begeistert am Flughafen O'Hare empfangen wie wir seinerzeit die Beatles. Heute abend warteten sie vor dem Golden Glow auf sie.
    Die Leute aus der Medienwelt konnten gar nicht genug bekommen von Edmund Trant. Klatschkolumnisten wie Regine Mauger berichteten darüber, welche Restaurants er besuchte oder wie seine telegene Frau ihr großes Haus in Oak Brook einrichtete. Und als man die Einladungen für die Party im Golden Glow verschickt
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