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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau
Autoren: Sara Paretsky
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außen die Sache gefährdete.
    Vielleicht fragen Sie sich nun, wie sie die Angelegenheit so lange am Laufen halten konnten, ohne dass irgend jemandem etwas auffiel. Nun, das liegt daran, dass sie zum einen gute Verbindungen zum Speaker des Illinois House hatten, der sowohl inner- als auch außerhalb von Springfield ziemlich einflussreich ist.
    Zum anderen nehmen wir alle an, dass das, was hinter Gittern vor sich geht, dazu dient, uns gesetzestreue Bürger zu schützen -Verzeihung, ich meine natürlich Sie gesetzestreue Bürger, denn ich bin ja nur auf Kaution auf freiem Fuß.« Die Anwesenden lachten lauter über meinen kleinen Scherz, als es eigentlich nötig gewesen wäre, weil sie einfach ein bisschen Distanz zu den schrecklichen Dingen gewinnen mussten, von denen sie soeben gehört hatten.
    »Manches von dem, was dort passiert, mag ziemlich übel sein, aber letztlich stimmt das, was die Aufseher mir und meinen Mitinsassinnen mehr als nur einmal gesagt haben, zum Beispiel als eine Frau keine richtige medizinische Versorgung bekam, nachdem sie sich den Arm in der Küche verbrannt hatte.« Ich nickte, und Morrell zeigte ein Dia des verbrannten Armes. »Man komme nicht nach Coolis, um Ferien zu machen. Wir gesetzestreuen Bürger wollen nicht unbedingt die Rehabilitierung, aber auf jeden Fall die Bestrafung von Gefangenen. Und diese Bestrafung bekommen sie in ausreichendem Maß, das können Sie mir glauben.«
    Ich schloss meine Präsentation mit den Dias, die ich von Aufseher Polsens Belästigungen im Waschraum gemacht hatte. Nun war es mucksmäuschenstill in der Bibliothek; ich hörte nur noch das Winseln von Peppy, die unbedingt zu mir wollte.
    »Solche Dinge sind dort an der Tagesordnung. Ich habe das persönlich miterlebt und bin auf ganz ähnliche Weise gedemütigt worden. Frauen haben keine Möglichkeit, sich gegen solch e Belästigungen zu wehren, und das Gesetz von Illinois sieht letztlich nicht vor, Aufseher, die ihre Macht missbrauchen, zu entfernen oder sie ernsthaft zu bestrafen. Es kann bis zu einem Jahr dauern, bis eine Frau, die wegen Vergewaltigung oder körperlicher Misshandlung Beschwerde eingereicht hat, vor Gericht angehört wird. Und während dieses Jahres landet sie möglicherweise in Einzelhaft. Dort kann sie wiederholt misshandelt werden. Und wenn ihre Beschwerde abgewiesen wird, können die Aufseher alles mit ihr machen, was sie wollen. So sieht der Alltag in Coolis aus.
    Soweit ich weiß, hat Robert Baladine eine E-Mail verschickt, in der er seinen Rücktritt ankündigt. Ich weiß nicht, ob das der Wahrheit entspricht oder nicht, aber selbst wenn Lucian Frenada nicht - wie ich vermute - umgebracht wurde, um die Herstellung von Virginwear für Global in Coolis zu verschleiern, sollte Baladine meiner Meinung nach zurücktreten, und zwar weil die Häftlinge in einem Gefängnis, das sein Unternehmen gebaut hat und immer noch für den Staat Illinois leitet, permanent gedemütigt werden.«
    Jetzt hatte ich doch noch die Fassung verloren. Ich setzte mich zitternd und mit klappernden Zähnen. Morrell trat zu mir, um mir eine Jacke um die Schultern zu legen. Murray war zusammen mit den anderen Anwesenden auf mich zugekommen, doch als er Morrell hinter mir stehen sah, machte er auf dem Absatz kehrt und ging.
    Lotty, Max, Sal und Mr. Contreras applaudierten heftig, und endlich ließ Mr. Contreras Peppy los, so dass sie zu mir konnte. Ich vergrub die Hände dankbar in ihrem hellen Fell und versuchte mich so weit zu beruhigen, dass ich Fragen beantworten konnte.
    Abgesehen von den sexuellen Dingen, die im Gefängnis abliefen, interessierte die Reporter hauptsächlich, wie Baladine sich die Verletzung zugezogen hatte.
    »Er sagt, er musste in die Kirche einbrechen, um seinen Sohn wiederzubekommen. Soweit ich weiß, hat Vater Lou unter Ei d ausgesagt, dass Baladine ihn nie gebeten hat, ihm seinen Sohn zurückzugeben. Robbie kam nur ein paar Stunden früher als sein Vater in die Kirche, der ja auch anrufen oder an der Tür hätte klingeln können, wie es die meisten anderen Menschen gemacht hätten. Aber offenbar hat jemand, der meine Wohnung beschattete, den Jungen gesehen, ihn hierher verfolgt und dann Baladine angerufen, um weitere Anweisungen entgegenzunehmen. Baladine hat daraufhin beschlossen, sich seinem Sohn auf höchst unübliche Weise zu nähern, was unter anderem zum Tod eines Polizeibeamten geführt hat.«
    Einer der Männer von Carnifice, der in der vergangenen Woche in der Kirche mit von der
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