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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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dafür gebetet, dass der Strom lange genug anbleibt. Das müsste also klappen.«
    »Sie hätte sich bestimmt gewünscht, dass wir sie nach unten bringen«, sagte Alex, während er im Fahrstuhl mit zitternden Fingern den Knopf für den Keller drückte. »Wir legen sie auf ihr Bett.«
    »Nein, auf meins«, sagte Julie. »Auf das obere. Dann ist sie näher am Himmel.«
    Alex nickte. Schweigend fuhren sie in den Keller hinunter. Alex wusste nicht, ob er es schaffen würde, Bri allein zu tragen, aber Julie hatte sich schon gebückt, um mit anzufassen. Vor der Wohnungstür bat Alex Julie, ihm die Schlüssel aus der Tasche zu ziehen und aufzuschließen, während er Bri alleine festhielt. Gemeinsam trugen sie sie ins Mädchenzimmer und hoben sie auf das obere Bett.
    Alex ließ ihr Gesicht unbedeckt, während sie beteten. Als er den Eindruck hatte, dass Julie sich so weit gefangen hatte, küsste er Bri auf die Augen und zog ihr sanft die Decke über das Gesicht.
    »Nein«, sagte Julie. »Noch nicht.«
    Alex war klar, dass er Julie so viel Zeit lassen musste, wie sie brauchte. »Ich gehe ins Wohnzimmer und warte da auf dich«, sagte er.
    Julie nickte und Alex ging hinaus. Er wollte auch gern einen Moment allein sein. Weil er nämlich unbedingt herausfinden wollte, was Bri dazu veranlasst hatte, in die Kellerwohnung zurückzugehen.
    Alles sah noch genauso aus wie an dem Tag, als er vor mehreren Wochen den Schlitten heruntergebracht hatte. Was könnte Bri hier unten gewollt haben?, fragte er sich.
    Er ging ins Schlafzimmer seiner Eltern. Vielleicht hatte sie dort nach etwas gesucht? Aber es war alles unverändert.
    Oder sie war in die Küche gegangen, um nach Lebensmitteln zu suchen, dachte er. Da waren natürlich keine mehr, aber vielleicht wollte sie sichergehen, dass sie nicht doch welche vergessen hatten. Und wo er schon einmal hier war, konnte er auch selbst gleich noch mal nachschauen.
    Aber die Schränke waren so leer wie erwartet. Er ließ den Blick über die Arbeitsplatte schweifen und sah, dass seine Nachricht dort immer noch lag.
    Er nahm sie in die Hand und zitterte plötzlich am ganzen Körper. Oben auf dem Zettel stand, dass sie in Apartment 12 B umgezogen waren. Doch auch der Rest des Papiers war jetzt eng beschrieben, in Bris Handschrift.
    Liebe Mamá, lieber Papá,
    ich bin so froh, dass Ihr wieder zu Hause seid. Ich habe jeden Tag für Euch gebetet.
    Alex hat mich im Sommer in ein Kloster geschickt, und obwohl die Schwestern dort sehr nett waren, habe ich Tag und Nacht darum gebetet, dass ich wieder nach Hause darf. Santa María, Madre de Dios , hat meine Gebete erhört.
    Vor zwei Wochen hat Alex gesagt, wir müssten New York verlassen. Erzählt es ihm bitte nicht weiter, aber ich habe dann noch viel mehr dafür gebetet, dass wir hierbleiben können, und die Heilige Jungfrau hat dafür gesorgt, dass der Bus nicht fuhr.
    In meinem Herzen weiß ich, dass Gott verhindert hat, dass wir weggehen, damit wir hier sind, wenn Ihr zurückkommt. Das wird Sein Weihnachtsgeschenk für uns sein.
    Ihr könnt wirklich stolz auf Alex und Julie sein. Sie haben sich wunderbar um mich gekümmert. Alex war krank, aber jetzt geht es ihm wieder besser. Wenn die beiden Euch sehen, werden auch sie wieder auf Gottes Gnade vertrauen und Ihn so lieben, wie ich es tue.
    In Liebe
    Eure Tochter Briana
    PS: Es ist okay, dass wir in 12 B gezogen sind. Mr Dunlap hat es uns erlaubt.
    Voller Entsetzen starrte Alex auf den Brief in seiner Hand hinunter. Bri war gestorben, weil sie nicht wahrhaben wollte, dass ihre Eltern tot waren. Hätte sie diesen Zettel nicht geschrieben, wäre sie noch rechtzeitig mit dem Aufzug in den zwölften Stock gekommen, bevor der Strom wieder ausfiel. Ihre falschen Hoffnungen hatten ihr den Tod gebracht.
    Aber war er selbst denn besser? Hatte nicht auch er bis zum letzten Moment, bis er Bris Leiche gesehen und ihre letzten Worte gelesen hatte, noch auf die wundersame Rückkehr seiner Eltern gehofft? Er hatte Bri nie ernsthaft widersprochen, weil auch er selbst nicht in der Lage gewesen war, den Tod seiner Eltern endgültig zu akzeptieren. Bris Verblendung war auch die seine. Nur war ihre noch stärker gewesen.
    Und jetzt war auch sie verschwunden. Nein, sie war tot. Wie Kevin. Wie Mamá und Papá. Aber Julie war noch am Leben und sie musste er irgendwie retten. Christus in Seiner Gnade konnte Julie doch unmöglich zum Tode verurteilen, nur weil ihr Bruder so dumm und verbohrt war?
    Alex faltete Bris Botschaft zusammen,
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