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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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schon auf den ersten Blick, dass der Raum leer war.
    »Hol den Schlitten«, sagte er zu Julie. »Wir suchen die ganze Umgebung ab.«
    Julie gehorchte. Sie schleppte den Schlitten die Stufen hinauf und bis zur Straße. Alex setzte sich zurecht und Julie zog ihn hinter sich her. An jedem Leichenhaufen ließ er sie anhalten, aber es waren keine neuen Toten mehr hinzugekommen. Falls hier immer noch Leute starben, so taten sie das einsam in ihren Wohnungen.
    Sicherheitshalber gingen sie auch noch einmal an der Kirche vorbei, aber Pater Franco erklärte, er habe Bri seit Donnerstag nicht mehr gesehen. »Ich werde für sie beten«, sagte er. Alex dankte ihm und bat ihn, sollte er irgendetwas von ihr hören, ihnen eine Nachricht zukommen zu lassen.
    Sie schlugen einen Kreis um die West 88 th Street, der im Norden bis zur 92 nd Street, im Süden bis zur 82 nd Street reichte. Einen Teil der Strecke lief er, einen Teil davon ließ er sich auf dem Schlitten ziehen. Immer wieder riefen sie nach Bri, aber außer dem Heulen des Windes und dem Huschen der Ratten kam keine Antwort.
    Sie war weg, verschwunden. Genau wie Mamá und Papá.
    Sonntag, 25 . Dezember
    Beim Aufwachen hatte er wieder Fieber. Julie verbot ihm rauszugehen, weder um nach Bri zu suchen, noch um zur Kirche zu gehen. Alex war zu schwach, um mit ihr zu streiten.
    »Willst du nicht zur Messe?«, fragte er, obwohl er schreckliche Angst hatte, auch sie könnte, wie Bri, einfach unterwegs verschwinden.
    Julie schüttelte den Kopf. »Es wird auch noch andere Weihnachten geben«, sagte sie.
    Beide wussten, wie unwahrscheinlich das war, aber keiner sprach es aus. Stattdessen saßen sie schweigend da, starrten zur Tür und beteten um ein Wunder.
    Montag, 26 . Dezember
    Julie war in ihrem Sessel eingeschlafen. Alex stand auf und zündete eine Kerze an, um auf die Uhr zu schauen. Kurz vor halb neun.
    Er ging zu Julie und rüttelte sie wach. »Steh auf«, sagte er. »Schnell.«
    Julie starrte ihn an. »Wegen Bri?«, fragte sie. »Hast du sie gefunden?«
    »Nein«, antwortete Alex. »Aber heute ist der 26 . Du musst zum Port Authority, zum Konvoi.«
    »Und dafür hast du mich geweckt?«, fragte Julie. »Wir wissen doch nicht mal, ob heute einer fährt. Und was ist mit Bri?«
    »Ich bleibe hier und suche nach ihr«, sagte Alex. »Aber dann bist wenigstens du in Sicherheit.«
    Julie schüttelte den Kopf. »Ohne dich und Bri gehe ich nirgendwohin.«
    »Du musst aber«, sagte Alex. »Das ist ein Befehl.«
    »Such dir jemand anderes zum Befehlen«, sagte Julie. »Ich leg mich wieder hin. Wenn ich schlafe, tut es nicht so weh.«

 
    NEUNZEHN
    Dienstag, 27 . Dezember
    Das plötzlich einsetzende Brummen des Kühlschranks riss Alex aus seinem Dämmerzustand.
    »Auf mit dir«, sagte er zu Julie. »Wir haben wieder Strom.«
    »Na und?«, sagte sie.
    »Ich möchte, dass du etwas isst«, sagte er. »Wann hast du zuletzt etwas gegessen?«
    »Keine Ahnung«, sagte Julie. »Gestern, glaube ich.«
    »Ich mache mir eine Schüssel mit Wasser in der Mikrowelle warm, zum Waschen«, sagte Alex. »Und dann essen wir zur Abwechslung mal was Warmes.«
    »Und dann?«, fragte Julie.
    »Dann gehen wir raus und suchen weiter nach Bri«, sagte Alex.
    »Wie soll das gehen?«, fragte Julie. »Meinst du, von einer halben Dose Bohnen wirst du wieder fit?«
    »Wir nehmen den Schlitten«, sagte Alex. »Julie, wir dürfen die Suche jetzt nicht aufgeben. Vielleicht hat sie gestern doch noch irgendwie zur Kirche zurückgefunden. Oder sie ist in die Wohnung unten gegangen.«
    Aber die Stimme in seinem Innern, die er zu hassen gelernt hatte, flüsterte ihm zu, dass Bri unmöglich noch am Leben sein konnte und dass es eigentlich nur noch darum ging, ihre Leiche zu finden. Er wusste, dass Julie dasselbe dachte, aber auch sie behielt es lieber für sich.
    »Kann ich mich auch ein bisschen waschen?«, fragte Julie. »Bevor wir losgehen?«
    »Klar«, sagte Alex. »Aber wir sollten uns beeilen – wer weiß, wie lange es noch Strom gibt. Vielleicht können wir dann mit dem Aufzug in den Keller fahren, um den Schlitten zu holen.«
    »Was für ein Luxus«, brummte Julie, aber sie stand auf und folgte Alex in die Küche.
    Eine halbe Stunde später waren die beiden so satt und so sauber, wie man es in diesen Zeiten eben sein konnte. Sie hatten noch etwas Reis übrig gehabt, und zusammen mit den aufgewärmten Bohnen war das fast schon eine richtige Mahlzeit. Alex war drauf und dran gewesen, die Büchse Sardinen zu öffnen, aber
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