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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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»Hab dich nicht so. Vielleicht sind wir morgen schon tot.«
    Alex grinste. Der Spruch hätte auch von Carlos stammen können.
    Aber als er zum Broadway kam und sah, dass ein Rettungswagen nach dem anderen mit heulender Sirene und unter Missachtung sämtlicher Ampelsignale die Straße hinunterjagte, begann er sich zu fragen, was wohl los war. Als er in die 88 th Street einbog, sah er, dass viele Anwohner in Gruppen vor ihren Häusern standen. Aber er hörte weder Gelächter noch Diskussionen. Einige zeigten zum Himmel, aber dort war nur die dichte Wolkendecke zu sehen. Eine elegant gekleidete Frau stand etwas abseits und weinte. Und als Alex dann die wenigen Stufen zur Kellerwohnung seiner Eltern hinunterging, fiel der Strom aus. Kopfschüttelnd schloss er die Haustür auf, lief durch den stockdunklen Flur und klopfte an die Wohnungstür.
    »Bist du das, Alex?«, rief Briana.
    »Ja, mach auf«, sagte er. »Was ist denn los?«
    Bri öffnete die Tür. »Der Strom ist ausgefallen«, sagte sie. »Und der Fernseher hat auch schon seit ’ner Weile keinen Empfang.«
    »Weißt du, wo die Taschenlampe ist, Alex?«, fragte Julie.
    »Guck mal oben auf dem Kühlschrank«, antwortete Alex. »Ich glaube, da liegt eine. Wo ist Mamá?«
    »Das Krankenhaus hat angerufen«, erklärte Briana. »Ist noch nicht lange her. Mamá hat gesagt, die Lage sei ernst und sie bräuchten jeden Einzelnen.«
    Julie kam ins Wohnzimmer zurück und schwenkte die Taschenlampe. »Noch keine zwei Wochen dabei und schon unentbehrlich«, sagte sie.
    »Sie konnte nicht sagen, wann sie wieder nach Hause kommt«, sagte Briana.
    »Papá hat auch angerufen, während du weg warst«, erzählte Julie. »Er hat gesagt, dass alle gut angekommen sind und morgen Nanas Beerdigung ist. Wären wir doch bloß mitgefahren.«
    »Wieso denn das?«, fragte Briana. »Sonst ist dir doch immer jede Ausrede recht, um dich vor Familientreffen zu drücken.«
    »Pass auf, was du sagst«, gab Julie zurück. »Ich hab die Taschenlampe.«
    »Dann mach doch mal was Sinnvolles damit und such das Transistorradio«, schlug Alex vor. »Vielleicht betrifft der Stromausfall ja die ganze Stadt.« Nicht zum ersten Mal dachte er, was für eine Erleichterung es wäre, wenn sich die Familie Morales einen Computer leisten könnte. Obwohl der ihnen bei Stromausfall auch nicht viel nützen würde.
    »Ich wette, das hat irgendwie mit dem Mond zu tun«, sagte Briana.
    »Mit dem Mond?«, fragte Alex. »Ich dachte immer, bei Sonnenflecken gibt’s Probleme – von Mondflecken habe ich noch nie gehört.«
    »Keine Mondflecken«, sagte Briana. »Aber auf dem Mond sollte doch heute Abend irgendwas einschlagen, ein Asteroid oder so. Eine Lehrerin hat uns das gesagt. Sie wollte zu einer Asteroiden-Party im Central Park und von dort aus zusehen.«
    »Stimmt, das haben sie bei mir in der Schule auch erzählt«, sagte Alex. »Aber ich verstehe immer noch nicht, was ein Asteroid mit dem Stromausfall zu tun haben soll. Oder mit der ernsten Lage, wegen der Mamá ins Krankenhaus gerufen wurde.«
    »Das Radio geht nicht«, sagte Briana, die gerade versucht hatte, es einzuschalten. »Vielleicht sind die Batterien leer.«
    »Na super«, sagte Alex. »Gut, wenn das so ist, dann nehmt ihr zwei doch die Taschenlampe und geht ins Bett. Mamá wird uns schon erzählen, was passiert ist, wenn sie nach Hause kommt.«
    »Ohne Ventilator ist es viel zu heiß«, jammerte Julie.
    Es war Alex ein Rätsel, wie seine Mutter und Bri es nur einen Tag mit Julie aushielten. Und dann war sie sogar Carlos’ Lieblingsschwester. Selbst Papá schien sie niedlich zu finden, aber sie war ja auch das Nesthäkchen der Familie, das Baby. Ein zwölfjähriges Baby, fand Alex.
    »Meinst du, es ist alles in Ordnung?«, fragte Briana.
    »Bestimmt«, sagte Alex. »Vielleicht gab es downtown irgendwo einen Großbrand. Ich habe viele Sirenen gehört.«
    »Aber Mamá arbeitet doch in Queens«, wandte Briana ein. »Warum wird sie dort im Krankenhaus gebraucht, wenn es downtown brennt?«
    »Dann eben ein Flugzeugabsturz«, sagte Alex, der gerade daran denken musste, wie die Leute zum Himmel hinaufgezeigt hatten. »Und jetzt ab ins Bett mit euch. Was immer da passiert ist, morgen früh ist es sicher längst vorbei.«
    »Na gut«, sagte Briana. »Komm, Julie. Heute sprechen wir für jeden ein besonders langes Gebet.«
    »Ich kann’s kaum erwarten«, murrte Julie, aber sie folgte ihrer großen Schwester aus dem Zimmer.
    Alex fiel ein, dass seine Mutter
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