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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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man«, antwortete Jimmy. »Durch den Mond. Mit dem ist was passiert.«
    »Mondflecken«, sagte Julie und kicherte.
    »Da gibt es überhaupt nichts zu lachen«, sagte Onkel Jimmy. »Lorraine hat die ganze Nacht kein Auge zugetan. Sie glaubt, dass sich die Plünderer gleich bei Tagesanbruch auf die Bodegas stürzen. Heute Nacht waren erst mal Spirituosen und Elektrogeräte dran, aber sobald es hell wird, geht die Jagd auf Lebensmittel los. Deshalb wollen wir den Laden leer räumen und alles in unsere Wohnung schaffen. Ihr sollt mir dabei helfen.«
    »Und was ist mit uns?«, fragte Julie. »Kriegen wir auch was davon ab?«
    »Ja, klar«, sagte Onkel Jimmy. »Wo ist eure Mutter?«
    »Im Krankenhaus«, sagte Alex. »Sie hat vermutlich die ganze Nacht durchgearbeitet. Papá ist noch in Puerto Rico. Aber was genau ist denn nun passiert, Onkel Jimmy?«
    »Ich kann euch nur sagen, was ich selber weiß«, entgegnete Onkel Jimmy. »Irgendein großer Brocken ist gestern Abend auf dem Mond eingeschlagen, ein Planet oder Komet oder was auch immer. Und das hat den Mond aus seiner Bahn geworfen, so dass er jetzt viel näher an der Erde dran ist. Flutwellen, Überschwemmungen, Stromausfall, Panik. Lorraine ist vollkommen hysterisch.«
    Was bei Tante Lorraine allerdings der Normalzustand war, dachte Alex. Papá nannte sie insgeheim la dramática , und Mamá konnte ihr bis heute nicht verzeihen, was sie für eine Szene gemacht hatte, als Carlos damals verkündet hatte, er wolle sich bei den Marines verpflichten: »Das ist dein Tod! Die bringen dich um! Wir sehen dich nie wieder!«
    »Kann man den Mond nicht einfach an seinen alten Platz zurückschieben?«, fragte Julie.
    »Das hoffe ich sehr«, sagte Jimmy. »Aber auch wenn das möglich ist, wird es sicher eine Weile dauern. Bis dahin, meint Lorraine, sollten wir die Lebensmittel lieber selber essen, statt sie uns von fremden Leuten stehlen zu lassen.« Er hupte ärgerlich, als ihm ein Wagen auf der Third Avenue die Vorfahrt nahm. »Diese reichen Idioten«, brummte er. »Kaum wird’s brenzlig, machen sie sich auch schon aus dem Staub.«
    »Ich sehe überhaupt keine Polizei«, bemerkte Alex.
    Jimmy lachte. »Die ist unterwegs, um die Reichen zu schützen«, sagte er. »Wir anderen sind denen doch völlig egal.«
    Onkel Jimmy hatte offenbar auch einen Hang zum Drama, dachte Alex. Das ließ sich wahrscheinlich kaum vermeiden, wenn man so lange mit Tante Lorraine zusammenlebte. Ihre Kinder hatten jedenfalls regelmäßig wahre Tobsuchtsanfälle, aber sie waren noch klein, und Alex konnte nur hoffen, dass sich das irgendwann auswachsen würde. Was es bei Tante Lorraine allerdings nie getan hatte.
    »Ah, gut«, sagte Jimmy. »Benny ist schon da.« Er parkte den Lieferwagen am Straßenrand vor der Bodega. »Steigt aus«, sagte er. »Julie, du baust die Kisten zusammen, und Alex und ich übernehmen das Einpacken. Wie sieht’s aus, Benny?«
    Der große Mann vor dem Ladeneingang nickte. »Alles ruhig bisher«, sagte er. »Dürfte keine Schwierigkeiten geben.« Er zog eine Pistole aus dem Gürtel. »Aber sicher ist sicher …«, sagte er.
    »Benny wird als Erster ausbezahlt«, sagte Jimmy. »Bier und Zigaretten.«
    »Die neue Währung«, meinte Benny grinsend.
    Alex fragte sich allmählich, ob er nicht doch noch schlief. Bis auf den Bericht über Tante Lorraines hysterische Anfälle kam ihm das alles vollkommen unwirklich vor. Onkel Jimmy schloss das Stahlgitter auf, und Alex und Julie folgten ihm ins Ladenlokal, während Benny draußen Wache hielt.
    Jimmy drückte Julie eine Taschenlampe in die Hand und forderte sie auf, sich hinter dem Tresen auf den Boden zu setzen und die Kartons zusammenzubauen. Dann zeigte er Alex, wo sich die Bierkisten und Zigarettenpackungen befanden, und während Alex sie zu Bennys Auto trug, füllte Jimmy die ersten Kartons mit Milch und Brot und anderen verderblichen Waren.
    Benny wies Alex an, erst den Kofferraum zu beladen und dann den Rücksitz. Es war erstaunlich, wie viele Kartons in so einen Wagen hineinpassten.
    Schließlich war nur noch der Fahrersitz frei. »Kannst du Auto fahren?«, fragte Jimmy Alex.
    Der schüttelte den Kopf.
    »Gut, dann bringe ich jetzt die Sachen zu Benny«, sagte Jimmy. »Du bleibst hier draußen stehen, Benny. Und sorg dafür, dass man deine Knarre sieht. Und du, Alex, fängst schon mal an, die Kisten für meine Familie einzupacken. Die Sachen für euch soll Julie in den Plastiktüten verstauen. In einer halben Stunde bin ich
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