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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens
Autoren: Catherine Deveney
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beide?«
    Einen kurzen Moment herrschte Schweigen. Lilys mit Lippenstift gefüllte Fältchen zitterten vor Empörung. Sie strich mit den Händen ihren Rock glatt. »Manchmal, Carol Ann«, sagte sie und vermied es dabei tunlichst, mich anzusehen, »kannst du schrecklich vulgär sein.«
    Bisweilen, wenn ich die Augen schließe, kann ich ihn regelrecht spüren. Wie er früher war. So deutlich, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Wange wahrzunehmen glaube. »Carol Ann«, flüstert er, und mein Name klingt wie ein Lied. Seine Stimme hallt in meinem Kopf wider. » Carol Ann .«
    Unsere Schuhe liegen neben dem Bett, wir haben sie weggeschleudert, doch ansonsten sind wir vollständig bekleidet. Mein Haar liegt ausgebreitet auf der kühlen weißen Baumwolle des Kissens, und er wickelt spielerisch eine Strähne davon um seinen Finger und lässt sie wieder fallen. Später werde ich auf dem Bezug ein paar blonde Haare von mir und daneben ein paar dunkle von ihm finden.
    Seine Lippen schmecken nach Rotwein. Sie berühren sanft meinen Mund, streichen zärtlich über meinen Hals. In der Rückschau erinnere ich mich an das Begehren, nicht an den Sex. Er überschüttet mich mit seinem Begehren, bis ich ganz berauscht davon bin, während ich mit geschlossenen Lidern daliege und schnurre wie eine Katze in der Sonne.
    Ich liege auf dem Rücken. Alex auf der Seite, auf seinen Ellbogen gestützt. Er lässt die Hand auf meiner Taille ruhen, dann fährt er damit unter meine Bluse, und ich spüre den sanften Druck seiner Finger, während sie über meine straffe Haut gleiten. Haut auf Haut. Seine Finger wandern zu meinem Rücken, ich spüre, wie ihr Druck kräftiger wird, als er mich näher zu sich herholt. Seine Lippen finden meinen Mund. Als er mich wieder loslässt, liegt sein Gesicht ganz dicht neben meinem. Ich kann sehen, wie seine Pupillen sich weiten, als er mich ansieht. Verlangen lässt sich nicht verbergen.
    »Du bist toll«, sagt er provozierend, und ich schenke ihm ein träges Lächeln, fahre mit dem Zeigefinger die Konturen seiner Lippen nach.
    »Weißt du, wo ich jetzt gerne wäre, genau jetzt in dieser Minute?«, sagt er leise. Sein Ton ist leicht, aufreizend.
    Ich liebe Ratespiele.
    »Paris?«
    »Nein.«
    »Venedig?«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Welcher Ort könnte denn romantischer sein als Venedig?«, frage ich und runzle die Stirn, denn ich bin erst achtzehn, und noch entsprechen meine Vorstellungen von Verliebtheit einem Traumbild. Ich glaube sogar, dass es nie aufhören wird.
    Er lächelt.
    »Wo?«, frage ich wieder.
    Seine Hand schiebt sich sachte von der weichen Rundung meines Bauches nach oben zu meiner Brust, und er beugt sich zu mir, vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren und sucht mein Ohr.
    »In. Dir. Drinnen«, flüstert er.
    Ich fahre Lily zurück. Sie hat ihr Mittagessen bekommen. Rührei mit Räucherlachs. Vollkorntoast, dünn geschnitten. Frische Himbeeren, mit Honig beträufelt. Wenn Lily zu Besuch kommt, kaufe ich immer kleine feine Sachen ein. Vielleicht, weil ich ein schlechtes Gewissen habe. Ich tue so, als wäre es die normalste Sache der Welt, wenn ich für sie im Supermarkt einkaufe. Ich laufe durch die Gänge und rede mir ein, dass meine Mutter zu mir kommt, um gemütlich mit mir zu Mittag zu essen. Und was kauft eine gute Tochter ein, wenn die geliebte Mutter zum Mittagessen kommt? Sie kauft kleine feine Kammmuscheln und aromatische, in der Sonne gereifte Strauchtomaten. Sie kauft frisch gemahlenen italienischen Kaffee und üppige, mit kandierten Kirschen und saftigen Sultaninen und grüner Engelwurz belegte Florentiner, deren Unterseite in Edelbitterschokolade getaucht ist.
    Lily isst wie ein Spatz. Sie hat nie etwas im Magen, das den Alkohol aufsaugen könnte. Ihr Appetit ist dahin, desgleichen ihre Koordination. Ihre Hand, mit der sie die Gabel zum Mund führt, zittert so sehr, dass Rühreiklümpchen auf ihren Rock fallen. Winzige Eikrümel bleiben an ihrem Lippenstift kleben.
    »Lecker, Carol Ann«, lobt sie und legt nach nur wenigen Bissen die Gabel beiseite. »Ich war dir eine gute Lehrerin.«
    Alles, was um sie herum geschieht, bezieht Lily auf sich. Sie ist egozentrisch. Es ist ein Symptom ihrer Krankheit. Als ich sie wieder nach Hause fahre, plagt mich mein schlechtes Gewissen. Heute Vormittag, als ich sie abholte, nahm ich mir fest vor, sie den ganzen Nachmittag bei mir zu behalten. Zumindest bis vier Uhr. Dann würde ich sie wieder heimfahren in ihre kleine Wohnung, ehe Alex von der
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