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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens
Autoren: Catherine Deveney
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eine Frau ist. Sie lässt das Seitenfenster herunter.
    »Hallo, Alex.«
    »Steve«, sagt Alex, »hier sind die Schlüssel. Führ deine Großmutter zum Auto.« Er schaut mich an. »Geh mit den beiden«, sagt er leise. Er nickt mir beruhigend zu. »Ich regle das hier.«
    Ich gehe weiter und blicke neugierig zurück. Am Steuer sitzt eine junge dunkelhaarige Frau, deren harte Züge auf eine provozierende Art attraktiv wirken. Sie bläst den Rauch ihrer Zigarette aus dem Seitenfenster.
    Mein Handy vibriert wieder. SMS von Michael. Zwei Worte. Komm zurück.
    Alex’ Stimme, hart, herausfordernd, aggressiv, dringt an mein Ohr, und ich reiße mich von meinem Handy los.
    »Was soll das?«, will Alex von der Frau wissen. Der Ton seiner Stimme hält mich davon ab, in unser Auto zu steigen. Ich schalte mein Handy aus, lege meinen Arm auf das Wagendach und warte auf ihn. Lily murmelt Stevie etwas zu, während sie einsteigt. Alex schaut immer wieder zu mir her. Ich weiß, er will, dass ich ebenfalls einsteige. Er nimmt eine leicht veränderte Haltung ein, dreht seinen Körper etwas zur Seite, als würde er nicht wollen, dass ich das Gespräch mitbekomme.
    Die Frau ist es, die ich beobachte. Ich kann nicht verstehen, was sie sagt, aber ich kann ihr Gesicht hinter der Windschutzscheibe sehen. Ihre Mundwinkel ziehen sich leicht nach unten, als würde sie in spöttischem Ton mit Alex reden. An der Art, wie Alex dasteht, wie er die Schultern hochzieht, erkenne ich, wie angespannt er ist, wie es in ihm kocht und brodelt. Immer wenn die Frau ihren Zigarettenrauch durchs Fenster bläst, reißt er wütend den Kopf nach hinten, und wendet sich anschließend wieder ihr zu.
    Ich kenne sie nicht, aber ich bin mir sicher: Die beiden kennen sich gut. Ihrem Zorn wohnt eine Vertrautheit inne. Alex schaut immer wieder zu mir her und dann rasch wieder weg. Die Frau taxiert mich mit kühlen Blicken. Doch plötzlich weiß ich eins genau, ich bleibe nicht passiv hier stehen, ich lasse mich nicht mehr taxieren. Wenigstens diese Lektion hat mich mein neues Leben gelehrt. Ich gehe zu den beiden hin.
    »Alex«, sage ich mit ruhiger Stimme, »wir warten. Wir müssen jetzt fahren.«
    Er schaut mich an, dann streckt er mir die Hand entgegen. Ich nehme sie, spüre, wie sie sich kraftvoll, verlässlich um meine Finger schließt. »Ja«, sagt er. »Wir müssen jetzt fahren.« Die Frau lässt den Motor an.
    »Alex …«, ruft sie uns hinterher, als wir auf dem Weg zu unserem Wagen sind. Alex blickt über die Schulter zurück, aber geht weiter.
    »Was ist?«
    »Man sieht sich.« Jetzt grinst die Frau, steckt ihre Zigarette in den Mund und legt den Gang ein.
    Am Wagen angekommen setze ich mich hinters Steuer, es ist ein kleines Zeichen. Alex steigt hinten ein. Ein paar Minuten fahren wir schweigend, dann sage ich: »Wisst ihr noch, an Josies letztem Geburtstag, bevor sie starb, bekam sie einen Kuchen mit weißem Zuckerguss überzogen, und mit rosa Rosen und rosa-weiß gestreiften Kerzen verziert?«
    »Die Zauberkerzen!«, höre ich Stevies Stimme von hinten, als würde er sich an etwas Schönes erinnern, das er bereits halb vergessen hatte.
    »Sie hat sie geliebt«, murmelt Lily.
    Diese Kerzen hatten wir in einem Geschäft für Partyartikel entdeckt. Jedes Mal, wenn man sie ausblies, entzündeten sie sich von Neuem, wie von Zauberhand. Josie war an dem Abend völlig entkräftet, so oft hatte sie ihre Kerzen ausgepustet, immer wieder waren die Flammen neu zum Leben erwacht. Doch schließlich konnte sie nicht mehr pusten, die Anstrengung, der Spaß und das Lachen hatten sie völlig erschöpft, und die wenige Kraft, die ihr blieb, brauchte sie zum Atmen. Wir alle hatten an jenem Nachmittag jede Geste von ihr genau verfolgt, unsere Herzen waren wund und schwer vor Schmerz und voller Liebe für sie, aber gleichzeitig ertappten wir uns dabei, wie wir angesteckt wurden von ihrem hellen Lachen. Schließlich tauchten wir die Kerzenflammen in eine Tasse Wasser, um sie endgültig auszulöschen.
    »Ein kleines Wunder«, sagt Alex leise und gebraucht Josies Worte von damals.
    Ich schaue zu Lily neben mir auf dem Beifahrersitz. Hier sitzen wir nun, wir vier, zwei vorn, zwei hinten, und sind durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden. Und jedes Mal, wenn einer von uns versucht, dieses Band zu durchtrennen, schließt es sich wieder, wie von Zauberhand, wie die sich wieder entflammenden Kerzen auf Josies Geburtstagskuchen, und knüpft uns vier aneinander, ob wir es wollen
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